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Ortsangaben der Bibel (odb)
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Ebene, west

 

 

 

 

 

 

Weitere Namen

Lokalisierungsvorschläge

Namensformen AT

המישור  hammîšôr. ἡ πεδινή
 

Belege AT

2Chr 26,10

Belege NT

ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)

Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit

Beschreibung

Das Substantiv mîšôr wird abgeleitet von der Wurzel jšr „gerade sein“ und bedeutet „Ebene, Fläche, flaches Land“. In diesem Sinn wird es häufig im Alten Testament gebraucht (1Kön 20,23; Jes 40,4; Jer 21,13; Jer 48,8; Sach 4,7). Entsprechend verwendet LXX eine von den Adjektiven εὐθύς „gerade“ oder πεδινός „eben“ abgeleitete Form. Wird das Substantiv mit Artikel geschrieben (hammîšôr), ist eine topographisch fassbare Landschaft, das zentrale ostjordanische Hochland gemeint (Ebene, ost). LXX schreibt hier zumeist (ἡ) Μισωρ, trankskribiert also den hebräischen Ausdruck.
Lediglich in 2Chr 26,10 bezeichnet hammîšôr eine westjordanische Landschaft, da von den Besitzungen des judäischen Königs Usija (Asarja) die Rede ist. Der Vers nennt hammîšôr neben der Schefela (Schefela, Juda; Schefela, Israel). Im zweiten Versteil ist von landwirtschaftlichen Aktivitäten in den „Bergen“ und bakkarmæl die Rede. Die zuletzt genannte Ortsangabe wird jedoch nicht auf das Karmelgebirge (Karmel, Gebirge) und lediglich vereinzelt auf den judäischen Ort Karmel (Karmel, Juda) bezogen (Japhet, Sara 2003a, 333), sondern zumeist als allgemeine Landschaftsbezeichnung verstanden (u.a. Galling, Kurt 1954a, 147; Rudolph, Wilhelm 1955a, 282) und mit „Fruchtland, Baumgarten“ o.ä. übersetzt (vgl.  u.a. Jes 10,18; Jes 16,10; Jer 2,7; Jer 48,33). Insofern könnte hammîšôr in 2Chr 26,10 auch als Appellativum für „Ebene“ gedeutet werden, ohne dass eine bestimmte Landschaft gemeint ist (Japhet, Sara 2003a, 333; implizit Welten, Peter 1973a, 24–26). Die appellativische Deutung kann sich auf LXX berufen, die hammîšôr hier mit ἡ πεδινή „die ebene (Gegend)“ übersetzt. Allerdings wird karmæl im zweiten Versteil von LXX als Eigenname verstanden und mit Καρμηλος wiedergegeben, dem Toponym, das auch für das Karmelgebirge steht. Der Befund der LXX ist demnach uneindeutig. Daher berufen sich manche Auslegende auf den MT und deuten das mit Artikel geschriebene Toponym hammîšôr als Eigenname. Dabei denken sie entweder an die aus anderen Texten bekannte ostjordanische Landschaft (Rudolph, Wilhelm 1955a, 285), an einen Teil des Negeb (Knauf, Ernst Axel  2019a, 391) oder an einen Abschnitt der Küstenebene am Mittelmeer, näherhin – vermutlich wegen der teilweisen Übereinstimmung der Konsonantenfolge –  an die Scharon-Ebene, die sich zwischen dem heutigen Tel Aviv und dem Karmelgebirge erstreckt (Galling, Kurt 1954a, 147). Bei einer Gleichsetzung mit der ostjordanischen „Ebene“ (Ebene, ost) muss man annehmen, dass Usija Teile von Moab kontrollierte, wofür es keine weiteren Hinweise gibt. Die Annahme, es sei ein Teil des Negeb gemeint, kann sich allenfalls auf den Anfang von 2Chr 26,10 berufen, wo es heißt, Usija errichte Wachtürme „in der Wüste“. Allerdings bezieht sich keine der folgenden Landschaftsangaben auf den Ausdruck „Wüste“, so dass dies für hammîšôr ebensowenig anzunehmen ist. Zudem wäre allenfalls der klimatisch noch günstig gelegene flache Nordwest-Negeb als „Ebene“ zu bezeichnen, nach Osten und nach Süden hin wird die Landschaft zunehmend hügelig bzw. zerklüftet (s. Negeb). Ob der judäische König Usija um die Mitte des 8. Jh.s v.Chr. Zugriff auf die Scharon-Ebene hatte, ist ebenfalls unklar, da diese näher am Kleinkönigtum Israel lag. Möglicherweise ist daher mit hammîšôr ein der juäischen Schefela (Schefela, Juda) vorgelagerter Abschnitt der Küstenebene gemeint, wo philistäische und judäische Interessen aufeinandertrafen (so andeutungsweise Welten, Peter 1973a, 161f.196), bevor im späten 8. Jh. v.Chr. die Assyrer das Gebiet kontrollierten. Ob jedoch die kurzen Hinweise von 2Chr 26,10 historisch im Detail auszuwerten sind (so u.a. Galling, Kurt 1954a, 147; Welten, Peter 1973a, 24–26.160f.193–196) und ob demzufolge die Landschaftsangaben den Verhältnissen der erzählten Zeit entsprechen sollten, muss offen bleiben.

 

Autor: Detlef Jericke, 2022; letzte Änderung: 2022-09-23 10:32:08

 

 

 

 

Lexikonartikel

 

Literatur

Galling, Kurt 1954a , 147 ;  Rudolph, Wilhelm 1955a , 282.285 ;  Welten, Peter 1973a , 24–26.160f.193–196 ;  Japhet, Sara 2003a , 326.333 ;  Knauf, Ernst Axel 2019a , 391 ;