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Stadt mitten im Tal

 

 

 

 

 

 

Weitere Namen

Stadt im Tal; Stadt im Bachtal; the town that is in the middle of the valley; the city that is in the midst of the river; the city that lieth in the midst of the river

Lokalisierungsvorschläge

Namensformen AT

הנחל־בתוך אשר העיר hā‘îr ʾašær betôk-hannaḥal. ἡ πόλις ἡ ἐν τῆ φάραγγι

Belege AT

Num 22,36 ?; Dtn 2,36; Jos 13,9; Jos 13,16; 2Sam 24,5

Belege NT

ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)

Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit

Beschreibung

Die namenlose „Stadt mitten im Tal“ soll im Arnontal liegen. Jos 13 zählt sie zum Landanteil Rubens. Historisch gesehen gehört sie demnach zum Gebiet Moabs. Alle Belegstellen nennen die „Stadt mitten im Tal“ zusammen mit Aroër (Aroër, Moab), einem Ort am Nordrand des Arnontals. 2Sam 24,5 lokalisiert die Stadt „rechts“, also südlich von Aroër.
Der ältere Vorschlag, die „Stadt mitten im Tal“ mit einer Ḫirbet el-Ḥušra genannten Ortslage gleichzusetzen, die am südlichen Arnonufer etwa 2 km oberhalb der Mündung in das Tote Meer (Salzmeer) liegen sollte (Noth, Martin 1953a, 79 mit Verweis auf Musil, Alois 1907a, 94), lässt sich nicht aufrechterhalten. Verschiedene Versuche, diesen Platz, den Musil und Noth vom „Hörensagen“ kannten, aufzufinden, scheiterten (Stoebe, Hans Joachim 1966a, 32; vgl. Wüst, Manfried 1975a, 134). Dagegen kommen Ḫirbet el-Mudēyine am Südrand des Arnontals (Worschech, Udo u.a. 1986a) etwa zehn Kilometer südwestlich von Aroër, Ḫirbet el-Maʿmarīye im Arnontal selbst ca. 6 km südlich von Aroër (Ninow, Friedbert 2002a) sowie el-Bālūʿ im äußersten Südosten des verzweigten Talsystems des Arnon (Miller, James Maxwell 1989a; Worschech, Udo 1997a) für eine Lokalisierung in Frage.
Der Oberflächenbefund für Ḫirbet el-Mudēyine weist auf eine Besiedlung in der Eisenzeit I und II sowie in hellenistischer und späterer Zeit. Reste von Befestigungsanlagen stammen vielleicht aus der Eisenzeit (Gaß, Erasmus 2009a, 259). Ḫirbet el-Maʿmarīye liegt an schwer zugänglicher Stelle am südlichen Abhang des Arnontals nahe des Talgrunds. Von der Lage her kommt dieser Platz daher am ehesten für eine Gleichsetzung mit der „Stadt mitten im Tal“ in Frage. Ausgrabungen legten eine befestigte Stadtanlage aus der Eisenzeit I mit einer eigens ummauerteten Zitadelle frei (Ninow, Friedbert 2005a; Nienow, Friedbert 2006a; Gaß, Erasmus 2009a, 231f). Der archäologische Befund deckt somit v.a. die erzählte Zeit (Ende 2. Jt. v.Chr.) ab. Möglicherweise ist der Name des Orts darauf zurückzuführen, dass diejenigen, welche im 1. Jt. v.Chr. die Texte zur Frühgeschichte Israels verfassten, die Ruinen im Arnontal kannten und daraufhin dem Platz die Bezeichnung „Stadt mitten im Tal“ gaben. Ein vergleichbarer Fall liegt bei Ai im zentralen Westjordanland vor.  Die antike Siedlung von el-Bālūʿ kontrollierte vermutlich die Südseite der Straße durch das tief eingeschnittene Arnontal, ähnlich wie Aroër (Aroër, Moab) auf der Nordseite. Sollte el-Bālūʿ mit der „Stadt mitten im Tal“ identisch sein, so könnten die beiden Toponyme „Stadt mitten im Tal“ und Aroër den Straßenverlauf im schwierig zu durchquerenden Tal anzeigen. Auf el-Bālūʿ existierte in der Eisenzeit II ab dem 9. Jh. v.Chr. eine ca. 500 x 300 große befestigte Anlage die im 7.–5. Jh. v.Chr. sukzessive erweitert wurde. Unklar ist, ob ein Teil der Befestigungen bereits in der Eisenzeit I angelegt wurde (Worschech, Udo 1990a; Worschech, Udo 1995b; Gaß, Erasmus 2009a, 232–238; Worschech, Udo 2014a). Insgesamt gesehen, erfüllt jedoch Ḫirbet el-Maʿmarīye am ehesten die Voraussetzungen, mit der „Stadt mitten im Tal“ gleichgesetzt zu werden.
Num 22,36 nennt eine „Stadt Moabs“ ʿîr môʾāb, die ebenfalls am Arnon, an der Grenze Moabs, liegen soll. Oft wird diese Stadt mit Ar-Moab gleichgesetzt und auf el-Bālūʿ lokalisiert (Miller, James Maxwell 1989a, 582f.590–595; Worschech, Udo 1997a; vgl. Gaß, Erasmus 2009a, 183 Anm. 943). Allerdings scheint Ar-Moab eine Landschaftsangabe zu sein (Gaß, Erasmus 2009a, 182f). Der Zusammenhang, der in Num 22,36 mit dem Arnon hergestellt wird, lässt daran denken, dass mit der „Stadt Moabs“ die „Stadt mitten im Tal“ gemeint sein könnte (Abel, Félix-Marie 1938a, 69; Miller, James Maxwell 1989a, 594f). Die Lösung der Frage hängt jedoch damit zusammen, wo die Grenze Moabs zu denken ist. Manche Ausleger lösen das Problem so, dass sie sowohl die Angaben zu der „Stadt mitten im Tal“ als auch zu der „Stadt Moabs“ als Ergebnisse einer „redaktionellen Exegese“ interpretieren (Mittmann, Siegfried 1995a, 5f; vgl. vgl. Wüst, Manfried 1975a, 133–143): Die „Stadt Moabs“ sei eine Verschreibung aus Ar-Moab, woraufhin dann der Ausdruck „Stadt mitten im Tal“ als „literarische Fiktion“ entstanden sei aufgrund der Annahme, im Arnontal sei in alter Zeit eine Stadt gewesen. Nach den neueren archäologischen Befunden erscheint es jedoch naheliegender anzunehmen, dass die Wendung „Stadt mitten im Tal“ nicht auf eine gelehrte Kombination, sondern auf die Kenntnis der früheisenzeitlichen Reste auf Ḫirbet el-Maʿmarīye zurückgeht.

 

Autor: Detlef Jericke; letzte Änderung: 2021-07-26 11:25:27

 

 

 

 

Lexikonartikel

  • BHH 2 (1964) , 772 (Sauer, Georg, Art. Ir-Moab)
  • ABD 1 (1992), 321 (Mattingly, Gerald M., Art. Ar)
  • EBR 13 (2016), 248f (Flanders, Denise, Art. Ir-Moab); 18 (2020), 283-286 (McKinny, Chris, Art. Medeineh, Khirbet el-)

 

Literatur

Musil, Alois 1907a , 94.329f.332f ;  Abel, Félix-Marie 1938a , 69.351 ;  Noth, Martin 1953a , 79 ;  Simons, Jan 1959a , 116f § 298 ;  Donner, Herbert 1965a , 41f ;  Stoebe, Hans Joachim 1966a , 32 ;  Wüst, Manfried 1975a , 133–143 ;  Worschech, Udo u.a. 1986a , 285–290 ;  Miller, James Maxwell 1989a , 582f.590–595 ;  Worschech, Udo 1990bMittmann, Siegfried 1995a , 5f ;  Worschech, Udo 1995aWorschech, Udo 1995bWorschech, Udo 1997aWorschech, Udo / Ninow, Friedbert 1999aMacDonald, Burton 2000a , 135 ;  Ninow, Friedbert 2002aNinow, Friedbert 2005aNinow, Friedbert 2006aGaß, Erasmus 2009a , 231–238.259 ;  Perlitt, Lothar 2013a , 225f ;  Worschech, Udo 2014aTyson, Craig W. / Ninow, Friedbert 2019a