|
|
Weitere Namen
Caftor; Kaphtor; Caphtor
Lokalisierungsvorschläge
Namensformen AT
כפתור kaptôr. Καφθορ, Καππαδοκια
Belege AT
Gen 10,14 (gent.); Dtn 2,23; Jer 47,4; Am 9,7; 1Chr 1,12 (gent.)
Belege NT
ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)
kft3w, kftjw (ägyptisch: Belmonte Marín, Juan Antonio 2001a, 152; Hannig, Rainer 2006a, 1196)
*kaptūru, kaptara (akkadisch: Belmonte Marín, Juan Antonio 2001a, 152)
kptr (ugaritisch: Belmonte Marín, Juan Antonio 2001a, 152; Nahshoni, Pirhiya / Ziffer, Irit 2009a, 551)
Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit
Χεφθωμος (Josephus, antiquitates 1,137)
qpwṭq’j (Targum Onkelos zu Gen 10,14: Sperber, Alexander 1959a, 14)
qpwdqjj’ (Targum Neofiti zu Gen 10,14: Díez Macho, Alejandro 1968a, 54f; Díez Macho, Alejandro 1988a, 64)
qpwd’j (Targum Pseudo-Jonatan zu Gen 10,14: Díez Macho, Alejandro 1988a, 65)
Beschreibung
Kaftor ist die hebräisierte Form eines im 2. Jahrtausend v.Chr. in ägyptischen Texten kftjw und in akkadisch abgefassten Dokumenten *kaptūru/kaptara genannten Toponyms. Dieses wird mit Kreta gleichgesetzt. Eine Liste aus der Zeit Amenophis III. (15./14. Jh. v.Chr.) nennt kftjw zusammen mit kretischen Ortsnamen. In Gräbern aus der Zeit Thutmoses III. (15. Jh. v.Chr.) ist kftjw neben Inseln der Ägäis genannt. Die Bewohner von kftjw und diejenigen der Ägäis sind teilweise mit Merkmalen der minoischen Kultur Kretas dargestellt. Daher wird auch eine Gleichsetzung mit Kreta und den Inseln der Ägäis insgesamt erwogen (vgl. RLA 6, 225-230). Der alttestamentliche Gesamtbefund ist vergleichsweise komplex und wenig einheitlich. Kaftor ist nicht allein die Region, aus der die Kaftoriter stammen (Dtn 2,23), sondern ausdrücklich auch das Land, aus dem die mit den Kaftoritern als verwandt angesehenen Philister (vgl. Gen 10,4) kommen sollen (Am 9,7; Jer 47,4). Jer 47,4 kennzeichnet Kaftor als Insel. Dabei ist jedoch nicht zweifelsfrei zu erweisen, dass diese Kennzeichnung ein eindeutiger Beleg für die Gleichsetzung Kaftors mit Kreta ist. Allenfalls lassen sich für die Wahrscheinlichkeit dieser Identifikation einige flankierende Argumente beibringen (vgl. Lipiński, Edward 1992a, 154). Zef 2,5 nennt die Bewohner der „Gebeite am Meer“ (ḥæbæl hajjām), die augenscheinlich mit der Bevölkerung der philistäischen Städte im Südwesten Palästinas identisch gedacht sind (vgl. Zef 2,4) „Volk der Kereter“ (gôj keretîm, LXX Πάροικοι Κρητῶν). Und LXX gibt in Zef 2,6 die Wendung ḥæbæl hajjām mit Κρητη wieder, der griechischen Bezeichnung Kretas. Dagegen beruht der Terminus „Kereter und Peleter“ für die Söldner Davids (2Sam 8,18 u.ö.) vermutlich nicht auf historischen Kenntnissen zu den Philistern, sondern spiegelt eher zeitgeschichtliche Erfahrungen mit griechischen Söldnern, die in der Levante ab dem 7./6. Jh. v.Chr. vermehrt auftauchen (Finkelstein, Israel 2002a). Erschwert wird eine genauere lokale Bestimmung Kaftors durch den Aufbau der Genealogien der Noach-Söhne. Diese bringen die Kaftoriter mit Mizrajim (Ägypten) in Verbindung (Gen 10,14; 1Chr 1,12), wobei sie im gleichen Zusammenhang die Philister nennen, diese jedoch nicht auf die Kaftoriter, sondern auf die enigmatischen Kasluhiter zurückführen. Demzufolge ist selbst innerhalb der alttestamentlichen Überlieferung der Konnex zwischen Kaftor und den Philistern bzw. zwischen Kaftor und der ostmediterranen Inselwelt nicht durchgehend zu finden. Insofern führen auch Versuche, die Nachfrage nach der im Alten Testament vorausgesetzten Lage von Kaftor mit der historischen Rückfrage nach der regionalen Herkunft der Philister zu verknüpfen, kaum zu befriedigenden Ergebnissen. Augenscheinlich ist die materielle Kultur der im Südwesten Palästinas ab dem ausgehenden 12. Jh. v.Chr. siedelnden Gruppen, die das Alte Testament Philister nennt, nicht von der kretisch-minoischen, sondern von der zyprischen Kultur geprägt. Daraus eine Identifizierung von Kaftor/kftjw mit Zypern abzuleiten (Strange, John 1980a), überzeugt jedoch nicht, da weder die oben erwähnten literarischen noch die ikonographischen Zeugnisse des 2. Jahrtausends v.Chr. zu kftjw in diese Richtung weisen. Zypern (Elischa) wird in ägyptischen Texten jrs und in keilschriftlichen Dokumenten alašiya genannt. Letztlich war selbst im klassischen Altertum die Vorstellung von der Lage Kaftors fließend. Die im 2. und weitgehend auch im 1. Jahrtausend v.Chr. dominierende Vorstellung von Kaftor/kftjw als einer Mittelmeerinsel wird in hellenistischer Zeit revidiert. Ab dem 3. Jh. v. Chr. scheint das Toponym auf festländische Regionen übertragen worden zu sein. In ägyptischen Texten der ptolemäischen Zeit bezeichnet der Ausdruck möglicherweise phönizische Gebiete (RLA 6, 229f). LXX schreibt stellenweise *Καππαδοκια für Kaftor (Dtn 2,23; Am 9,7) und disloziert das Toponym damit auf das kleinasiatische Festland. Andererseits bleibt der Bezug auf Kreta auch in der LXX erhalten, da sie, wie oben gezeigt, in Zef 2 für die in Palästina ansässig gewordenen Philister und deren Siedlungsgebiet die griechische Bezeichnung für Kreta (Κρητη) verwendet. Die LXX zeigt sich somit ähnlich komplex wie der masoretische Text. Eindeutig nach Kleinasien weist die Namensform qpwd’j, mit der Targum Pseudo-Jonatan das Gentilitium Kaftoriter in Gen 10,14 wiedergibt. Im Einzelfall wurde diese, wohl auf Vorstellungen der hellenistischen Gelehrsamkeit zurückzuführende Interpretation Kaftors zum Anlass genommen, Kaftor/kftjw nicht auf Kreta oder in der ostmediterranen Inselwelt, sondern in der antiken Landschaft Kappadokien (Zentralanatolien; zur Lage Waldmann, Helmut 1983a; Waldmann, Helmut 1985a; Wagner, Jörg 1983a; Wittke, Anne-Maria u.a. 2012a, 115‒117) zu verorten (Wainwright, Gerald A. 1956a). Dennoch scheinen die Hinweise auf Kreta sowohl in außerbiblischen wie auch in der hebräischen und griechischen Textform des Alten Testaments so gewichtig, dass die verbreitete These, mit Kaftor sei die große Mittelmeerinsel gemeint, begründet erscheint. Mit einer solchen historisch-topographischen Bestimmung Kaftors ist jedoch noch nichts über die geschichtliche Frage nach der Herkunft der Philister bzw. der „Seevölker“ insgesamt gesagt. Diese Problematik ist von der Lagebestimmung Kaftors zu trennen.
Autor: Detlef Jericke, 2017; letzte Änderung: 2024-03-12 16:33:50
|
|
|
Lexikonartikel
-
RLA
6 (1980‒1983), 225–230 (Weippert, Manfred, Art. Kreta. A. Philologisch); 6 (1980‒1983), 230‒240 (Herrmann, H.-V., Art. Kreta. B. Archäologisch)
-
RGG3
3 (1959), 1134 (Bach, Robert, Art. Kaphtor); 4 (1960), 42f (Karayannopulos, Johannes, Art. Kreta)
-
BHH
2 (1964), 931f (Herrmann, Siegfried, Art. Kaphtor); 2 (1964), 1001‒1003 (Wiesner, Joseph / Reicke, Bo, Art. Kreta)
-
LÄ
1 (1975), 69‒76 (Helck, Wolfgang, Art. Ägäis und Ägypten)
-
NBL
2 (1995), 544‒546 (Görg, Manfred, Art. Kreta)
-
ABD
1 (1992), 869f (Hess; Richard S., Art. Caphtor)
-
LThK3
5 (1996), 1217-1219 (Brakmann, Heinzgerd / Koder, Johannes, Art. Kappadokien); 6 (1997), 438-440 (Hiesel, Gerhard / Papakoustantinou, Art. Kreta)
-
DNP
6 (1999), 828–834 (Sonnabend, Holger / Niehoff, Johannes, Art. Kreta)
-
WiBiLex
2020 (Koenen, Klaus, Art. Kaftor)
-
EBR
4 (2012), 950-951 (Hull, John, Art. Caphtor, Caphtorim); 5 (2012), 1031-1032 (Fletcher, Richard / Stepney, Erin, Art. Crete)
Literatur
Gunkel, Hermann 1910a , 90 ;
Abel, Félix-Marie 1933a , 261–266 ;
Wainwright, Gerald A. 1956a ;
Simons, Jan 1959a , 17 § 46 ;
Speiser, Ephraim Avigdor 1964a , 68 ;
Westermann, Claus 1974a , 693f ;
Delcor, Mathias 1978a ;
Strange, John 1980a ;
Lipiński, Edward 1992a , 154 ;
Osing, Jürgen 1992a ;
Perlitt, Lothar 1994a , 188f ;
Quack, Joachim Friedrich 1996a ;
Drews, Robert 1998a , 39-42 ;
Görg, Manfred 2000a , 43‒45 ;
Finkelstein, Israel 2002a , 150‒152 ;
Hagedorn, Anselm C. 2004a , 59f ;
Prent, Mieke 2005a ;
Nahshoni, Pirhiya / Ziffer, Irit 2009a ;
Erickson, Brice L. 2010a ;
Steadman, Sharon R. / McMahon, Gregory 2011a ;
Schoep, Ilse u.a. 2012a ;
Niemeier, Wolf-Dietrich u.a. 2013a ;
Andreyev, Yuri V. 2013a ;
MacDonald, Colin u.a. 2015a ;
Lipiński, Edward 2018a , 35f ;
Panichi, Silvia 2018a ;
Gertz, Jan Christian 2018a , 319 ;
|