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Weitere Namen
Ramah; Ramatajim; Ramathaim
Lokalisierungsvorschläge
Namensformen AT
הרמה hārāmāh. Ραμα, Αρμαθαιμ
Belege AT
Ri 4,5; 1Sam 1,3 LXX; 1Sam 1,19; 1Sam 2,11; 1Sam 7,17; 1Sam 8,4; 1Sam 15,34; 1Sam 16,13; 1Sam 19,18-19; 1Sam 19,22-23; 1Sam 20,1; 1Sam 25,1; 1Sam 28,3
Belege NT
ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)
Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit
Ῥαμα (Eusebius, Onomastikon 144,14f: Notley, R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 136, Nr. 774; Timm, Stefan 2017a, 189 Zeile 1f, Nr. 777; vgl. Eusebius, Onomastikon 18,13–16; 66,11–16; 132,3–5 (Notley, R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 19f.65f.125, Nr. 48.313.695; Timm, Stefan 2017a, 20 Zeile 3. 80 Zeile 9 . 170 Zeile 1f, Nr. 48.313.698)
Beschreibung
Name
Der MT hat in Ri 4,5 und in 1Sam immer die Namensform mit Artikel hārāmāh „die Höhe“. Dabei ist acht Mal der Lokativ hārāmātāh „nach Rama“ bzw. „zur Höhe“ zu finden (1Sam 1,19; 1Sam 2,11; 1Sam 7,17; 1Sam 8,4; 1Sam 15,34; 1Sam 16,13; 1Sam 19,18; 1Sam 19,22). LXX schreibt zumeist Αρμαθαιμ und setzt somit eine Dualform voraus. Eine solche ist im Ortsnamen Ramatajim „Doppelhöhe“ bezeugt (1Sam 1,1). Da Samuels Vater Elkana von dort kommt und Samuels Heimatort durchgehend Rama heißt, wird meist angenommen, dass Ramatajim und Rama den gleichen Ort meinen (u.a. Abel, Félix-Marie 1938a, 428f; Simons, Jan 1959a, 307 § 646-7; Edelman, Diana Vikander 1988a, 54–58; Gaß, Erasmus 2005a, 242f). Lediglich in Ri 4,5 und bei der Erwähnung des „Prophetenhauses“ in Rama (1Sam 19,19; 1Sam 19,22-23; 1Sam 20,1) verwendet LXX die Schreibung Ραμα. Augenfällig ist dies in 1Sam 19,22, wo zunächst erzählt wird, dass Saul „nach Rama“ (hārāmātāh, Αρμαθαιμ) kommt; wenn im Anschluss vom „Prophetenhaus“ in Rama die Rede ist, steht im griechischen Text Ραμα. Aus dem Sprachgebrauch der LXX ist jedoch nicht auf eine Unterscheidung zwischen Ortsname (Ramatajim, Αρμαθαιμ) und der Bezeichnung eines Kultgebäudes (Rama, Ραμα) zu schließen, zumal im Hebräischen auch Ramatajim mit Artikel geschrieben wird: hārāmātajim. Die Dualform Ramatajim wurde vielleicht zur Unterscheidung von anderen Ortenen namens Rama (Rama, benjaminitisch; Rama, Ascher; Rama, Naftali) verwendet (Gaß, Erasmus 2005a, 241; Dietrich, Walter 2010a, 33) oder sie wurde aus dem Lokativ hārāmātāh abgeleitet.
Altes Testament
In den Erzählungen über Samuel in 1Sam ist Rama bzw. Ramatajim der Heimatort Samuels und seiner Eltern. Dort ist Samuels „Haus“, Samuel wirkt als Richter und baut einen Altar für Jhwh (1Sam 7,17), in Rama wird er auch begraben (1Sam 25,1; 1Sam 28,3). Zumindest von Ramatajim wird ausdrücklich gesagt, es liege auf dem Gebirge Efraim (1Sam 1,1). Auch Ri 5,4 zählt Rama zum Territorium Efraims. Von daher wird Samuels Rama häufig von den gleichnamigen Orten in Benjamin, Ascher und Naftali unterschieden (WiBiLex, Art. Rama). Allerdings ist die Abgrenzung zu dem Rama, das in Benjamin liegen soll (Rama, benjaminitisch) nicht immer eindeutig zu bestimmen (Gaß, Erasmus 2005a, 241; Dietrich, Walter 2010a, 33‒35). Samuels Tätigkeit spielt sich u.a. auch in Bet-El, Gilgal und Mizpa ab (1Sam 7,16-17; 1Sam 11,14-15; Groß, Walter 2009a, 268), an Orten also, die z.T. auch zu Benjamin gezählt werden (Jos 18,21; Jos 15,7; Jos 18,17; vgl. Gelilot). Das in Ri 19-20 wie auch in der Samuelgeschichte erwähnte Gibea (1Sam 10,10) bzw. das Gibea-Benjamin oder Geba(-Benjamin) von 1Sam13-14 ist augenscheinlich ein Benjamin zugerechneter Ort (Gibea, benjaminitisch), der in der Nähe des benjaminitischen Rama (Rama, benjaminitisch) zu suchen ist (vgl. Groß, Walter 2009a, 814–819). Darüber hinaus lassen weitere Belegstellen, die im Allgemeinen dem Rama in Benjamin zugeordnet werden, nicht eindeutig erkennen, dass hier ein anderer Ort als in der Samuelgeschichte gemeint ist. In Ri 19,13 und in Hos 5,8 steht Rama neben dem benjaminitischen Gibea ähnlich wie in 1Sam. Esr 2,26 und Neh 7,33 listen Rama vor Geba auf. 1Kön 15,22 nennt neben Rama noch das ebenfalls als Wirkungsort Samuels erwähnte Mizpa als einen von König Asa ausgebauten Ort (vgl. 2Chr 16,6). Auch im Jeremiabuch ist Rama (Jer 40,1) eng mit Mizpa verbunden (vgl. Jer 40,8-15; Jer 41 passim). Der geschilderte Befund lässt sich am ehesten analog zu Bet-El interpretieren: es gab nur einen Ort Rama im Bergland nördlich von Jerusalem, der in unterschiedlichen Erzählzusammenhängen entweder dem Gebiet Efraims oder dem Territorium Benjamins zugerechnet wird (vgl. ABD 5, Art. Ramah), ebenso wie auch Bet-El alternativ zu Efraim (Ri 4,5) oder zu Benjamin (Jos 18,22) gehören soll, ohne dass daraus auf zwei unterschiedliche Orte namens Bet-El geschlossen wird. Die Auffassung könnte erhärtet werden, wenn man der These folgt, dass Benjamin von Haus aus ein südlicher Anhang an Efraim war und lediglich im 6./5. Jh. v.Chr. kurzfristig eine eigene Verwaltungseinheit bildete, auf die möglicherweise die Wendung Land Benjamin (Ri 21,21; 2Sam 21,14; Jer 1,1; Jer 17,26; Jer 32,44; Jer 33,13; Jer 37,12) zurückgeht (Lipschits, Oded 2020a).
Auf jeden Fall trifft das hier entfaltete Verständnis des alttestamentlichen Befunds weitgehend die Interpretation des Eusebius. Dieser verhandelt das Rama der Samuelgeschichte lediglich unter dem 1Sam 1,1 genannten Namen Ramatajim(-Zofim) als Ἀρμαθεμ Σειφα (Eusebius, Onomastikon 32,21–23: Notley, R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 36, Nr. 144; Timm, Stefan 2017a, 39 Zeile 4–6, Nr. 144) bzw. Σωφειμ (Eusebius, Onomastikon 160,6: Notley, R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 150, Nr. 870; Timm, Stefan 2017a, 213 Zeile 2, Nr. 872). Er lokalisiert diesen Ort bei Diospolis/Lydda (s.u.). Darüber hinaus kennt er nur ein Ῥαμα, das er als „Stadt Sauls“ bezeichnet, womit augenscheinlich der Ort der alttestamentlichen Samuel-Saul-Erzählungen gemeint ist. Dieses Rama rechnet er zu Benjamin und lokalisiert es 6 Meilen nördlich von Jerusalem bei Bet-El (Onomastikon 144,14f). Auch wenn er von Sauls Rama bei Bet-El und Geba (Onomastikon 18,13–16), vom Rama bei Gibeon und Bet-El (Onomastikon 66,11–16) oder vom Rama bei Michmas redet (Onomastikon 132,3–5), meint er den Onomastikon 144,14f beschriebenen Platz. Eusebius unterscheidet demnach nicht zwischen einem Rama in Benjamin und einem gleichnamigen Ort in Efraim. Er kennt nur ein Rama, das er zu Benjamin rechnet und das mit dem in 1Sam genannten Rama identisch ist.
Gegen das hier vorgetragene Verständnis könnte eingewandt werden, dass eine jährliche Wallfahrt zum Heiligtum in Schilo, wie sie 1Sam1-4 voraussetzt, von einem Rama in Benjamin weniger naheliegend erscheint als von einem im Territorium Efraims gelegenen Ort. Allerdings bleibt fraglich, ob ein Heiligtum in Schilo in der 1Sam 1-4 geschilderten Weise existierte (Jericke, Detlef 2020a; anders zuletzt Knittel, Ann-Kathrin 2019a). Die Beschreibung des schilonitischen Heiligtums zeigt erkennbare Parallelen zum Jerusalemer Tempel. Zudem ist durch die Figur des Pinhas ein antisamarischer Erzählzug eingebaut. Daher kann 1Sam 1-4 auch als Aufforderung zur Wallfahrt nach Jerusalem gelesen werden, wobei Schilo als Codename für Jerusalem steht (vgl. Jer 48,5 LXX Σαλεμ für Jer 41,5 MT šilô). Solche Wallfahrten waren vom Gebiet Benjmins leichter zu bewerkstelligen als vom Territorium Efraims.
Das 1Chr 27,27 für einen Mann namens Schimi belegte gentilizium hārāmātî „der Ramatiter“ bezieht sich vermutlich auch auf den Ort in Benjamin, wenn mit Schimi derjenige gemeint ist, der David bei der Flucht ins Ostjordanland verflucht (1Sam 16) und der bei Davids Rückkehr begnadigt wird (2Sam 19). Zumindest wird der dort genannte Schimi zum „Haus Saul“ (2Sam 16,5) bzw. zu Benjamin gerechnet (2Sam 19,17).
Von der Diskussion um den hier besprochenen Ort Rama auszunehmen ist 2Kön 8,29. Der MT hat hier die Wendung bārāmāh „in Rama“. Gemeint ist jedoch der im Vers zuvor als als Schauplatz des Kampfs gegen den König von Aram genannte Ort Ramot-Gilead (vgl. LXX ἐν Ρεμμωθ 2Kön 8,29; Ρεμμωθ Γαλααδ 2Kön 8,28).
Lokalisierung
Die Lokalisierung hängt davon ab, wie man das Verhältnis von Samuels Rama zum Toponym Ramatajim und zum Rama in Benjamin bestimmt.
Setzt man Samuels Rama mit Ramatajim gleich und unterscheidet es vom benjaminitischen Rama, gibt 1Makk 11,34 erste Hinweise. Der Vers erzählt, dass der seleukidische König Demetrius II. die drei Bezirke Efraim, Lydda und Ramatajim (Ραμαθαιμ LXXL) dem Jerusalemer Hohenpriester überlässt; vgl. Josephus, antiquitates 13,127. Eusebius setzt das Ramatajim von 1Sam 1,1 mit dem 1Makk 11,34 genannten Ort gleich und identifiziert diesen mit dem neutestamentlichen Arimathäa (Mt 27,57 u.ö.). Er lokalisiert Arimathäa in Ῥεμθις (lateinisch Remfthis; vgl. Timm, Stefan 2017a, 190* Zeile 3) in der Nähe von Diospolis, dem Lydda von 1Makk 11,34 (Onomastikon 32,21–23; 144,27–29). Ῥεμθις/Remfthis wird meist mit dem heutigen Ort Rentīs gleichgestzt, der ca. 25 km östlich des altttestamentlichen Jafo und ca. 15 km nordöstlich von Lydda/Diospolis liegt, vereinzelt auch mit dem ca. 8 km weiter östlich gelegenen Bēt Rīmā (vgl. Ramatajim).
Der Vorschlag, Rama mit der eisenzeitlichen Siedlung auf Ḫirbet Raddāne im Norden der heutigen Stadt Ramallāh ca. 4 km südwestlich des alttestamentlichen Bet-El (Bētīn) gleichzusetzen (Kellermann, Diether u.a. 1992a), basiert ebenfalls auf der Prämisse, dass der Ort der Samuel-Saul-Erzählungen von dem Rama in Benjamin zu unterscheiden ist. Zugunsten von Ḫirbet Raddāne wird neben der Nähe zu Bet-El das Argument vorgebracht, dass die Lage des Siedlungsplatzes zu dem Weg passen könnte, den Saul nach der Erzählung von 1Sam 9 geht (Edelman, Diana Vikander 1988a, 56–58; vgl. Gaß, Erasmus 2005a, 242f). Allerdings sind hier auch andere Deutungen möglich, die aus dem Itinerar von 1Sam 9 ein Lokalisierung in Rentīs erschließen (Simons, Jan 1959a, 307 § 646-7). Möglicherweise spielt bei der Option für Ḫirbet Raddāne die Beobachtung eine Rolle, dass der Platz lediglich in der Eisenzeit I (ca. 12. bis 10. Jh. v.Chr.) besiedelt war, also in der Zeit, in der die Samuelerzählungen spielen. Grabungen dokumentieren ein für diese Zeit typisches Berglanddorf, das aus mehreren Pfeilerhäusern bestand (NEAEHL 4, 1253f; Lederman, Zvi 1999a; Zwingenberger, Uta 2001a, 141‒144; WiBiLex 2014). Da jedoch die Samuelerzählungen vermutlich erst in späterer Zeit formuliert wurden, muss nicht zwingend nach einem Platz gesucht werden, der in vorköniglicher Zeit, d.h. in der Eisenzeit I besiedelt war. Gleichzeitig wird erwogen, dass ein vom Ort unabhängiges Heiligtum auf der ca. 1 km weiter östlich gelegenen Rās eṭ-Ṭāḥūne gelegen haben könnte, wo sich Siedlungsreste aus der Frühbronzezeit, der Mittelbronzezeit, der Eisenzeit I und II sowie der hellenistischen, römischen und byzantinischen Zeit fanden (Finkelstein, Israel u.a. 1997a, 512f; Gaß, Erasmus 2005a, 243). Nach dem oben Gesagtem ist jedoch eine räumliche Unterscheidung von Ort und Heiligtum wenig wahrscheinlich. Zudem wird Rās eṭ-Ṭāḥūne gern für die Lokalisierung von Zemarajim vorgeschlagen.
Sollte Samuels Ramatajim/Rama mit dem benjaminitischen Rama (Rama, benjaminitisch) identisch sein (ABD 5, 613f), ist es aller Wahrscheinlichkeit nach in er-Rām zu finden, einem Ort, der heute im Norden Groß-Jerusalems liegt. In alttestamentlicher Zeit befand sich der Platz ca. 9 km nördlich der Davidstadt (Kellermann, Diether u.a. 1992a). Dies entspricht der Nähe zu Geba (Ǧebaʿ, vgl. Jes 10,29), das ca. 2,5 km weiter östlich liegt (Kellermann, Mechthild u.a. 1985a). Auch die Angaben bei Josephus (antiquitates 12,303: 40 Stadien = ca. 7,5 km von Jerusalem) und bei Eusebius, der Rama 6 römische Meilen nördlich von Jerusalem kennt (Onomastikon 144,14f), stützen die Lokalisierung (Jericke, Detlef / Schmitt, Götz 1993a; Gaß, Erasmus 2005a, 241f.244; WiBiLex, Art. Rama, 3.; Dietrich, Walter 2010a, 34). Oberflächenbefunde deuten auf eine nahezu durchgehende Besiedlung von der Eisenzeit bis zur ottomanischen Zeit. Die Hauptbesiedlungsphasen lagen vermutlich in der Eisenzeit II und in byzantinischer Zeit (Finkelstein, Israel / Magen, Yitzhak 1993a, 168f No. 188; Gaß, Erasmus 2005a, 244). Insofern sollte es sich um einen Platz handeln, der sowohl in alttestamentlicher Zeit als auch in der Zeit des Eusebius bewohnt war.
Autor: Detlef Jericke; letzte Änderung: 2021-03-17 13:44:39
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