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Jaser

 

 

 

 

 

 

Weitere Namen

Jazer

Lokalisierungsvorschläge

Namensformen AT

יעזר  jaʿzer. Ιαζηρ. Iazer
 

Belege AT

Num 21,24 LXX; Num 21,32; Num 32,1; Num 32,3; Num 32,35; Jos 13,25; Jos 21,36 LXX (?);  Jos 21,39; Ri 11,26 LXXA (?); 2Sam 24,5; Jes 16,8-9; Jer 48,32; 1Chr 6,66; 1Chr 26,31

Belege NT

ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)

Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit

Ἰαζηρ (1Makk 5,8; Eusebius, Onomastikon: Timm 131,5–132,3, Nr. 528; Klostermann 104,13–19; Notley R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 100f, Nr. 526)
Ιαζωρα (Josephus, antiquitates 12,329)
Ἰαζωρος (Klaudios Ptolemaios, geographikē 5,16,9: Stückelberger, Alfred / Graßhoff, Gerd 2006b, 574f; ältere Editionen: Γαζωρος)
Ἀζηρ ? (Eusebius, Onomastikon: Timm 12,2.4, Nr. 22; Klostermann 12,3; Notley R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 12, Nr. 22)
mkwwr (rabbinisch: Gaß, Erasmus 2010a, 115)

Beschreibung

Name

Der hebräische Name geht auf die Wurzel ʿzr „helfen“ zurück (Gaß, Erasmus 2010a, 97f), was für die Lagebestimmung von Jaser nicht hilfreich ist.

Altes Testament

LXX schreibt Ιαζηρ in zwei Versen, an denen MT andere Toponyme hat. In Jos 21,36 steht Ιαζηρ für Jahaz und in Ri 11,26 (nur LXXA) für Aroër (Aroër, Moab). Beide textkritisch unklaren Belege sollten für die Lokalisierung nicht herangezogen werden. Allerdings wird deutlich, dass Jaser in hellenistischer Zeit an Bedeutung gewann.
Die weiteren alttestamentlichen Belege nennen unterschiedliche Territorien im Zusammenhang mit Jaser. Einige Texte rechnen Jaser zum Stammesgebiet von Gad (Num 32,35; Jos 13,25; Jos 21,39; 2Sam 24,5). Zwei Belege erwähnen Jaser in Zusammenhang mit Gilead (Gilead, Landschaft), unterscheiden den Ort jedoch von dieser Landschaft (Num 32,1; Jos 13,25). Erst die Chronik bezeugt den Kompositnamen „Jaser Gilead“ (1Chr 26,31). Die Moabsprüche Jes 16 und Jer 48 nennen Jaser in Verbindung mit zu Moab gerechneten Orten, d.h. mit Heschbon und seiner Umgebung (Sibma; Elale). Num 32,1 redet vom „Land Jaser“, d. h. von einem zu dem Ort gehörenden Gebiet. Jaser müsste demzufolge ein größerer Ort mit Mittelpunktfunktion gewesen sein. Die alttestamentlichen Belege sind am ehesten so zu verstehen, dass nördlich vom „Land Jaser“ das „Land Gilead“, Jaser südlich benachbart das zu Heschbon gehörende Territorium und östlich vom „Land Jaser“ die vom ammonitischen Vorort Rabba (ʿAmmān) kontrollierte Region zu suchen ist. Diese Annahme wird  durch den griechischen Text von Num 21,24 unterstützt . LXX gibt das im Erzählzusammenhang unverständliche hebräische Wort ʿaz („stark“) mit Ιαζηρ wieder und  lokalisiert den Ort zwischen dem von Israel und den Ammonitern beanspruchten Gebiet, demnach im westlichen Grenzgebiet der seit hellenistischer Zeit bezeugten Ammanitis.
Eine andere Interpretation kommt zu dem Schluß, dass es zwei Orte namens Jaser gab. Der königszeitliche Ort sei südlich von Heschbon nicht allzuweit von Aroër (Aroër, Moab) zu suchen (Num 32,34-35). Daneben sei durch 1Chr 26,31 und durch nachalttestamentliche Schriften (s.u.) ab hellenistischer Zeit ein weiter nördlich gelegenes Jaser bezeugt (Gaß, Erasmus 2010a). Allerdings beruht die These eines südlichen Jaser auf verschiedenen literarkritischen Annahmen, dazuhin kann die Lage dieses Orts durch die einschlägigen alttestamentlichen Texte nicht näher eingegrenzt werden. Insofern wird man vorerst weiterhin den Hinweisen folgen müssen, die Jaser zwischen Gad, Gilead (Gilead, Landschaft), Ammon und Moab verortern.

Nachalttestamentliche Bezeugung

Der von Ptolemaios gelistete Ort Ἰαζωρος wird häufig mit dem alttestamentlichen Jaser bzw. mit dem Ἰαζηρ der griechisch-römischen Zeit gleichgesetzt. Dafür spricht, dass der Name nach Libias (am Nordostende des Toten Meers; s. Bet-Haram) und Kallirrhoë (am Ostufer des Toten Meers; s. Zeret-Schahar) genannt ist und dass auch die von Ptolemaios gegebenen Koordinaten auf eine Lage zwischen dem südlichen Jordangraben und Philadelphia (ʿAmmān) weisen (Stückelberger, Alfred / Graßhoff, Gerd 2006b, 860f), was der zu erschließenden Lage von Jaser bzw. des spätantiken Ἰαζηρ (s.u.) entspricht.
Eusebius geht von einer Lage westlich von Ammon aus. Er lokalisiert Ἰαζηρ zehn römische Meilen westlich von Philadelphia (ʿAmmān) und 15 Meilen von Ἐςσσεβων/Heschbon. Der ebenfalls von Eusebius genannte und in der lateinischen Übersetzung des Hieronymus mit Ἰαζηρ/Iazer gleichgesetzte Ort Ἀζηρ/Azer soll acht römische Meilen von Philadelphia entfernt liegen. Außerdem erwähnt Eusebius, dass bei Ἰαζηρ ein Flusslauf entspringt, der zum Jordan führt.

Lokalisierung

Weder der Ort noch das „Land“ Jaser sind eindeutig zu lokalisieren. Bereits in der älteren Fachliteratur wurde eine Fülle von Vorschlägen unterbreitet (vgl. Gaß, Erasmus 2010a, 119–133). Die meisten dabei genannten Plätze liegen heute in den Außenbezirken der Großstadt ʿAmmān. Im Folgenden werden nur die Ortslagen diskutiert, die in der neueren Literatur ernsthaft für eine Gleichsetzung mit Jaser erwogen werden.
Da die alttestamentlichen Hinweise zur Lage von Jaser nicht eindeutig sind, orientieren sich die Vorschläge zur Lokalisierung des Orts zumeist an den Angaben bei Eusebius. Aufgrund des Namensanklangs wird häufig Ḫirbet Ǧazzir vorgeschlagen (Abel, Félix-Marie 1938a, 356f; Simons, Jan 1959a, 119f § 300; MacDonald, Burton 2000a, 106–108; Gaß, Erasmus 2009a, 173; Finkelstein, Israel u.a. 2011a, 140f; weitere bei Gaß, Erasmus 2010a, 131). Dabei wird auf die in der Nähe von Ḫirbet Ǧazzir bei der Ḫirbet es-Sūq gelegene Quelle ʿAin Ǧazzir verwiesen, die den Hinweisen des Eusebius auf den Ursprung eines Flusslaufs entsprechen könnte. Zudem beginnt bei der Ḫirbet Ǧazzir der Oberlauf des Wādī Šuʿēb, das auf der Höhe von Tell Nimrīn (2096.1453) ins Jordantal mündet. Ältere Oberflächenuntersuchungen verzeichnen eine befestigte Anlage auf der Hügelkuppe und eine ca. 10 x 15 m große Bastion. Möglicherweise stammen diese archäologischen Reste aus der Eisenzeit (Vaux, Roland de 1938c, 399.405; Glueck, Nelson 1939a, 236; Zwickel, Wolfgang 1990a, 219; Gaß, Erasmus 2009a, 173). Neuerdings wird die Existenz eisenzeitlicher Keramik auf Ḫirbet Ǧazzir jedoch bestritten, lediglich bei der Ḫirbet es-Sūq soll es wenig Material aus der späten Eisenzeit II geben (Ahrens, Alexander 2018a). Philologisch ist die Namenskontinuität von jaʿzer bzw. Ιαζηρ zu Ǧazzir nicht nachzuvollziehen. Darüber hinaus liegt der Platz ca. 22 km nordwestlich des Zentrums von ʿAmmān, wo sich die antike Stadt Philadelphia befand, und ca. 24 km nördlich von Heschbon. Ḫirbet Ǧazzir entspricht somit nicht den Entfernungsangaben bei Eusebius.
Noth schlägt vor, Jaser in der Gegend von Naʿūr (heute am südwestlichen Rand von ʿAmmān) zu suchen (Noth, Martin 1959a, 63–71 = Noth, Martin 1971a, 535–542). Rendtorff präzisiert diesen Vorschlag, indem er Jaser auf  TellʿArēme ca. 5 km nordwestlich von Naʿūr lokalisiert (Rendtorff, Rolf 1960a; vgl. Möller, Christa / Schmitt, Götz 1976a, 96f). Der Platz liegt ca. 16 km vom Zentrum von ʿAmmān und ca. 18 km von Heschbon entfernt und entspricht so eher den Angaben bei Eusebius. Die bislang lediglich vorläufig in die Eisenzeit sowie in die hellenistische und byzantinische Zeit datierten archäologischen Reste auf dem ca. 150 x 40 m großen Tell ʿArēme (Kuschke, Arnulf 1965a, 101f; Zwickel, Wolfgang 1990a, 193; Gaß, Erasmus 2010a, 126f) scheinen jedoch für einen zentralen Ort wie Jaser zu spärlich zu sein.
Am ehesten ist Jaser daher im Bergland westlich von ʿAmmān zu suchen. Der ca. 12 km westlich vom Zentrum der Stadt und ca. 18 km nördlich von Heschbon (Ḥisbān) gelegene Ort eṣ-Ṣīre entspricht relativ genau den Angaben bei Eusebius (Landes, George M. 1956a;  Avi-Yonah, Michael 1976a, 68). Archäologische Oberflächenuntersuchungen weisen auf eine Besiedlung in der Eisenzeit sowie in der römischen und früharabischen Zeit (Zwickel, Wolfgang 1990a, 220). Eine feste Siedlung scheint jedoch in der Antike nicht bestanden zu haben (Gaß, Erasmus 2010a, 125f). Der Hauptsiedlungsplatz der Gegend um eṣ-Ṣīre lag auf Ḫirbet eṣ-Ṣār. Entsprechend wurde diese Ortslage mehrfach für die Gleichsetzung mit Jaser vorgeschlagen (u.a. Aharoni, Yohanan 1984a, 213; Kallai, Zecharia 1986a, 268f;  Schmitt, Götz 1995a, 187–189; weitere bei Gaß, Erasmus 2010a, 123f). Die Ruinenstätte liegt heute am Westrand der Großstadt ʿAmmān. Sie ist allerdings nur ca. 10 km vom Zentrum der antiken Stadt und ca. 16 km von Heschbon entfernt, was den Angaben bei Eusebius nicht ganz entspricht. Die archäologischen Reste erstrecken sich auf einer Fläche von ca. 400 x 400 m. Nach Oberflächenuntersuchungen scheinen sie überwiegend aus hellenistischer und römischer Zeit sowie aus noch späteren Perioden zu stammen (Gaß, Erasmus 2010a, 123f; Finkelstein, Israel u.a. 2011a, 140f). Der Befund aus der Eisenzeit wird als minimal angegeben (Glueck, Nelson 1939a, 153–155; MacDonald, Burton 2000a, 107; Gaß, Erasmus 2010a, 123; Finkelstein, Israel u.a. 2011a, 140f ). Ausgrabungen dokumentieren ein Heiligtum, das aus spätrömischer Zeit (4. Jh. n.Chr.), also aus der Zeit des Eusebius stammt, möglicherweise jedoch bereits in der späten Eisenzeit (7./6. Jh. v.Chr.) genutzt wurde (Młynarczyk, Jolanta u.a. 2018a). Da die alttestamentlichen Belege zu Jaser zeitlich schwer einzuordnen sind und der Ort nicht in neuassyrischen Urkunden erwähnt ist, da andererseits die LXX-Tradition Jaser erkennbar aufwertet (s.o.) und der Ortsname auch in der Literatur der griechisch-römischen Antike vorkommt, ist für Jaser eine Ortslage vorauszusetzen, deren Hauptbesiedlungsphasen eher in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends v.Chr. und in römischer Zeit lagen. Diese Voraussetzungen erfüllt nach den derzeit vorliegenden Informationen Ḫirbet eṣ-Ṣār am ehesten. Das von Eusebius erwähnte Flusstal wäre dann das bei der Ḫirbe bzw. bei der nahegelegenen Quelle ʿAin eṣ-Ṣīr beginnede Wādī eṣ-Ṣīr, das zunächst einige Kilometer nach Süden verläuft, sich dort mit dem Wādī el-Kefrēn vereinigt und wenig nördlich des Toten Meers (Salzmeer) ins Jordantal mündet.




 

 

Autor: Detlef Jericke, 2023; letzte Änderung: 2023-02-09 10:53:44

 

 

 

 

Lexikonartikel

  • BHH 2 (1964), 805 (Bernhardt, Karl-Heinz, Art. Jaser)
  • ABD 3 (1992), 650f (Peterson, John L., Art. Jazer)
  • EBR 13 (2016), 794 (Pakkala, Juha, Art. Jazer)

 

Literatur

Thomsen, Peter 1907a , 16 ;  Schultze, Felix 1932aGlueck, Nelson 1937aVaux, Roland de 1938c , 399.405 ;  Abel, Félix-Marie 1938a , 356f ;  Glueck, Nelson 1939a , 153–155 ;  Vaux, Roland de 1941a , 25–27 ;  Noth, Martin 1953a , 81 ;  Landes, George M. 1956aGese, Hartmut 1958a , 64 ;  Simons, Jan 1959a , 119f.131 §§ 300.308 ;  Noth, Martin 1959a , 63–71 ;  Rendtorff, Rolf 1960aSchmidt, Werner 1961aKuschke, Arnulf 1965a , 101 ;  Noth, Martin 1971a , 535–542 ;  Möller, Christa / Schmitt, Götz 1976a , 96f ;  Avi-Yonah, Michael 1976a , 68 ;  Wildberger, Hans 1978a , 627 ;  Aharoni, Yohanan 1984a , 213 ;  Kaswalder, Pietro A. 1984aBoling, Robert G. / Wright, G. Ernest 1984a , 344 ;  Kellermann, Mechthild u.a. 1985aKallai, Zecharia 1986a , 268f ;  Schmitt, Götz 1987aZwickel, Wolfgang 1990a , 193.219f ;  Kellermann, Diether u.a. 1992aJericke, Detlef / Schmitt, Götz 1992aJericke, Detlef / Schmitt, Götz 1993aFritz, Volkmar 1994a , 145 ;  Schmitt, Götz 1995a , 187–189 ;  MacDonald, Burton 2000a , 106–108.112 ;  Gaß, Erasmus 2009a , 173 ;  Gaß, Erasmus 2010aRösel, Hartmut N. 2011a , 219 ;  Finkelstein, Israel u.a. 2011a , 140f ;  Ahrens, Alexander 2018aMłynarczyk, Jolanta u.a. 2018aGaß, Erasmus 2021a , 114 ;