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Ramses

 

 

 

 

 

 

Weitere Namen

Raemses; Ramsesstadt; Pi-Ramesse

Lokalisierungsvorschläge

Namensformen AT

רעמסס ra‘emses. Ραμεσση

Belege AT

Gen 47,11; Ex 1,11; Ex 12,37; Num 33,3; Num 33,5

Belege NT

ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)

pr-r‘-ms-sw-mrj-jmn (ägyptisch: LÄ 5, 128–146; Hannig, Rainer 2006a, 1142f)

Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit

Ῥαμεσσε, Ῥαμεσσην (Eusebius, Onomastikon 142,13f: Notley, R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 135, Nr. 763; Timm, Stefan 2017a, 186 Zeile 1–3, Nr. 766)
Ramesses (Etheria 7,1; 8,1.4f; 9,6: Geyer, Paulus 1898a, 46−50; Röwekamp, Georg / Thönnes, Dietmar 1995a, 148–159; Donner, Herbert 2002a, 94−101)

Beschreibung

Zum Gebiet der Stadt Ramses gehört das Land, das Josef der nach Ägypten einwandernden Familie Jakobs zuweist (Gen 47,11). Daher ist in diesem Vers vom „Land Ramses“ ’æræṣ ra‘emses die Rede. In der „Vorratsstadt“ (‘îr miskenôt) Ramses müssen die Israeliten Frondienst leisten (Ex 1,11) und von dort brechen sie zum Auszug auf (Ex 12,37; Num 33,3; Num 33,5). Die alttestamentlichen Hinweise deuten darauf hin, dass Ramses eine Stadt im Besitz der ägyptischen Pharaonen war und dass zu der Stadt ein großes Gebiet in der umgebenden Landschaft gehörte. Außerdem ist zu erwarten, dass die Stadt im Bereich des östlichen Nildeltas lag, wohin nach ägyptischen Textzeugnissen in der zweiten Hälfte des 2. Jt. v.Chr. Nomaden aus dem südlichen Palästina einwanderten (HTAT, 171−173, Nr. 067). Die hebräische Bezeichnung ra‘emses ist die Kurzform des ägyptischen Namens für die Ramsesstadt pr-r‘-ms-sw-mrj-jmn („Haus des Ramses-meri-Amun“). Allerdings gab es mehrere Orte in Ägypten, die Ramsesstadt genannt wurden. Das alttestamentliche Toponym meint die Residenzstadt der ramessidischen Pharaonen der 19. und 20. Dynastie (13./12. Jh. v.Chr.). Diese hatten im östlichen Nildelta eine neue Residenz gegründet, um die von ihnen beanspruchten Gebiete in Syrien und Palästina besser kontrollieren zu können. Die Deltaresidenz der Ramessiden wird heute allgemein im Bereich von Qanṭīr und Tell el-Dab‘a an einer Ausbuchtung des Pelusischen Nilarms lokalisiert (Abel, Félix-Marie 1938a, 208.429f; LÄ 5, 128–146; NBL 3, 281f). Die Ausgrabungsergebnisse zeigen, dass hier während der 19. und 20. Dynastie eine Stadtanlage stand, die mindestens eine Fläche von 10 km2 bedeckte. Im nördlichen Bereich bei Qanṭīr befanden sich die Palastanlage und die Wohnhäuser der Beamten, im Süden bei Tell ed-Dab‘a Tempelanlagen. Die Verwaltungs- und Wohnquartiere waren durch Gärten, Teiche und Kanäle aufgelockert. Zur Zeit der 21. Dynastie (11./10. Jh. v.Chr.) wurde die Stadt aufgegeben und die Residenz in das ca. 18 km weiter nördlich gelegene Tanis/Ṣān el-Ḥaǧar (hebräisch Zoan; Num 13,22 u.ö.) verlegt. Die ehemalige Ramsesstadt in Qanṭīr/Tell ed-Dab‘a diente als Steinbruch zum Aufbau der neuen Residenz. Daher befinden sich heute viele Monumente der Ramessidenzeit in Tanis. Die ältere Forschung wollte daher die Ramsesstadt mit Tanis/Zoan identifizieren (Simons, Jan 1959a, 241–247 §§ 418−420; Noth, Martin 1968a, 11; Fritz, Volkmar 1970a, 39) oder unterbreitete die These einer zweigeteilten, großflächig ausgerichteten Residenz, deren Palastanlagen in Qanṭīr und deren Wohnquartire in Tanis/Zoan lagen (Alt, Albrecht 1954a = Alt, Albrecht 1968a, 176–185). Die These einer Gleichsetzung der Ramsesstadt mit Tanis/Zoan legte sich auch nahe, weil Ps 78,12 und Ps 78,43 die „Gefilde von Zoan“ als zentralen Ort des von Gott gewirkten Auszugswunders nennen. Inzwischen ist allerdings erwiesen, dass die archäologischen Reste aus der Ramessidenzeit in Tanis/Zoan erst sekundär verbaut wurden. Dennoch ist es möglich, dass sich die alttestamentlichen Autoren auf Verhältnisse ab der Mitte des 1. Jt. v.Chr. bezogen, als Tanis/Zoan auch in Ägypten mit der Deltaresidenz der Ramessiden identifiziert wurde und sich in Tanis und in dem ca. 45 km südwestlich von Qanṭīr gelegenen Ort Boubastis/Tell el-Basṭa sogenannte Sekundärkulte in Anlehnung an die alten Kulte der historischen Ramsesstadt herausbildeten. Die Verwendung der Kurzform ra‘emses scheint darauf hinzudeuten, dass die alttestamentlichen Autoren keine genaue Kenntnis über Art und Lage der Ramsesstadt des 13./12. Jh. v.Chr. hatten. Und die Verbindung von Zoan mit den Exodusereignissen in Ps 78 ist ein Indiz dafür, dass die in ägyptischen Dokumenten aus dem 4. Jh. v.Chr. belegte Gleichsetzung von Tanis mit der Ramsesstadt bekannt war. Josephus und die Targume identifizieren die Ramsesstadt jeweils mit zeitgenössisch geläufigen größeren Orten in Ägypten. Josephus (antiquitates 2,188) nennt den Platz, den Josef seiner Familie als Wohnsitz zuweist, Helioupolis (alttestamentlich On / el-Maṭarīye 30º08'N.31º17'E), d.h. er identifiziert die Ramsesstadt mit dem Wirkungsort von Josefs Schwiegervater (Gen 41,45; Gen 41,50; Gen 46,20). Einige Targume identifizieren den Platz, den das Alte Testament Ramses nennt, mit Pelusium (Tell el-Farāma 31°03′N.32°36′E) am nordöstlichen Ende des Nildeltas (Davies, Graham I. 1979a, 18-26), einem Ort, der in römischer Zeit von einiger Bedeutung war. Dabei trifft die Gleichsetzung mit Pelusium zumindest geographisch die Region, in der die Ramsesstadt lag.

 

Autor: Detlef Jericke, 2016; letzte Änderung: 2020-11-17 11:35:54

 

 

 

 

Lexikonartikel

  • BHH 3 (1966), 1546–1547 (Morenz, Siegfried, Art. Raemses)
  • 5 (1984), 128–146 (Bietak, Manfred, Art. Ramsesstadt)
  • NBL 3 (2001), 281–282 (Görg, Manfred, Art. Ramsesstadt)
  • ABD 5 (1992), 617–618 (Wente, Edward F., Art. Ramses)
  • LThK3 8 (1999), 320f (Engel, Helmut, Art. Pitom u. Ramses)
  • WiBiLex 2016 (Pusch, Edgar B. / Franzmeier, Henning, Art. Pi-Ramesse)

 

Literatur

Trumbull, H. Clay 1884a , 379-384 ;  Gardiner, Alan H. 1918a , 267−269 ;  Montet, Pierre 1930aAbel, Félix-Marie 1938a , 208.429f ;  Alt, Albrecht 1954aSimons, Jan 1959a , 241–247 §§ 418−420 ;  Alt, Albrecht 1959c , 176–185 ;  Redford, Donald B. 1963aHelck, Wolfgang 1965a , 40–48 ;  North, Robert 1967a , 76–123 ;  Noth, Martin 1968a , 11 ;  Fritz, Volkmar 1970a , 39 ;  Davies, Graham I. 1979a , 79 ;  Bietak, Manfred 1981aRedford, Donald B. 1987a , 138f ;  Bietak, Manfred 1987aSchmidt, Werner H. 1988a , 37–40 ;  Houtman, Cornelis 1993a , 126f ;  North, Robert 1995aHoffmeier, James Karl 1997a , 179–182 ;  Görg, Manfred 1997a , 136f ;  Aston, David A. 1998aBietak, Manfred / Pusch, Edgar B. 1999aHabachi, Labib 2001aSchmitt, Götz 2001aVan Seters, John 2001a , 264-267 ;  Oblath, Michael D. 2004a , 19f.95 ;  Hoffmeier, James Karl 2005a , 53–58 ;  Roskop, Angela R. 2011a , 242f ;  Jericke, Detlef 2013a , 240–242 ;  Rademakers, Frederik W. u.a. 2018aBreyer, Francis 2019a , 99 ;  Janzen, Mark D. 2022bMüller, Miriam 2023aSacco, Arianna 2024a