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Weitere Namen
Kittim
Lokalisierungsvorschläge
Namensformen AT
כתים kittîm. Κιτιοι, Κιτιαοι, Χεττιιμ
Belege AT
Gen 10,4; Num 24,24; Jes 23,1; Jes 23,12; Jer 2,10; Ez 27,6; Dan 11,30; 1Chr 1,7
Belege NT
ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)
kṯjn (ägyptisch: Hannig, Rainer 2006a, 1199)
kt (akkadisch [ugaritisch] (Belmonte Marín, Juan Antonio 2001a, 164)
ktjm (Arad Ostrakon 1, Zeile 2; Ostrakon 2, Zeile 2; Ostrakon 4, Zeile 1; Ostrakon 7, Zeile 2; Ostrakon 8, Zeile 2; Ostrakon 10, Zeile 2; Ostrakon 11, Zeile 2; Ostrakon 14, Zeile 2: Renz, Johannes / Röllig, Wolfgang 1995a, 347‒375; HTAT 356f, Nr. 200‒203)
kt(j) (phönizisch: KAI 32,2; 33,1f; 37,A5; 38,1f; 40,2; 41,6; 46,6; 55,2; 57 [vgl. KAI, Bd. 3, 63])
Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit
Χεττιιμ (1Makk 1,1)
Κιτιοι (1Makk 8,5)
ktjjm (1QJesa23,1.12)
hktj’jm (1QpHab 2,12.14; 3,4.9; 4,5.10; 6,1.10; 9,7)
Κιτιον (Diodorus Siculus 14,98; 15,4; Strabon: Radt, Stefan 2011a, 153; Josephus, antiquitates 1,128)
Citium (Plinius, naturalis historia 5,130)
ktjm (Targum Neofiti zu Gen 10,4: Díez Macho, Alejandro 1988a, 62)
’kzj’ (Targum Pseudo-Jonatan zu Gen 10,4: Díez Macho, Alejandro 1988a, 63)
rwm’j (Targum Onkelos zu Num 24,24: Sperber, Alexander 1959a, 267)
*’jṭlj’, *rwmjj (Targum Neofiti zu Num 24,24: Díez Macho, Alejandro 1974a, 242f)
Beschreibung
In der sogenannten Völkertafel Gen 10 werden die Kittäer als Söhne Jawans vorgestellt (Gen 10,4; vgl. 1Chr 1,7). Sie gehören somit zu den Nachkommen Jafets, des dritten Sohns Noachs (Gen 10,2-5), deren Namen größtenteils in die östliche Mittelmeerwelt weisen. Der Name Kittäer (genauer Kittim, hebräisch kittîm) wird in Num 24 und in verschiedenen Profetenbüchern zwar im Zusammenhang mit Ortsangaben genannt, jedoch an keiner Stelle ausdrücklich als Toponym verwendet. Deutlich wird dies in den Wendungen „Land der Kittäer“ (’æræṣ kittîm, Jes 23,1) und „Inseln der Kittäer“ (’ijjê kittîm, Jer 2,10; Ez 27,6), in denen jeweils „Kittäer“ die allgemeinen Landschaftsbezeichnungen „Land“ bzw. „Inseln“ näher kennzeichnet. Das Land bzw. die Inseln der Kittäer sind eng mit der Seefahrt verbunden. Mehrfach sind sie als Ausgangs- oder Endpunkt von Schiffsexpeditionen genannt (Num 24,24; Jes 23,1; Jes 23,12; Jer 2,10; Dan 11,30). Die alttestamentlichen Belege weisen somit auf die Inselwelt des östlichen Mittelmeers und die angrenzenden Küstengebiete. Der Ausdruck Kittäer scheint sich auf die Stadt Kition (heute Larnaka 34º55'N.33 º38'E) an der Südküste Zyperns zu beziehen. Darauf weist die LXX-Überlieferung, die mehrheitlich die Übersetzung Κιτιοι bzw. Κιτιαοι für hebräisch kittîm bietet, während sie die Transkription Χεττιιμ nur verwendet, wenn von den Inseln oder vom Land der Kittäer die Rede ist (Jer 2,10; Ez 27,6; vgl. 1Makk 1,1). Kition ist seit dem 2. Jt. v.Chr. in ägytischen, ugaritischen und phönizischen Dokumenten bezeugt. Noch in römischer Zeit (1. Jh. v.Chr. bis 1. Jh. n.Chr.) war der Ort bekannt, wie die Erwähnungen bei Diodorus Siculus, Strabon und Plinius zeigen. Er eignete sich hervorragend als Hafenplatz für Fahrten zwischen den phönizischen Städten und der Ägäis. Vermutlich war Kition zeitweise Vorort einer Stadtherrschaft, die auch Teile des Umlands einschloss. Archäologisch ist die Besiedlung des Platzes seit der Spätbronzezeit bezeugt. An keiner alttestamentlichen Textstelle meint der Name Kittäer jedoch speziell die Bewohner Kitions. Vielmehr handelt es sich um die Bezeichnung der Bewohner ganz Zyperns. So dürften zumindest Gen 10,4 und 1Chr 1,7 zu verstehen sein. In beiden Versen sind „Kittäer und Rodaniter“ als erklärende Apposition zu „Elischa und Tarschisch“ zu verstehen. Die Kittäer sind demnach die Bewohner von Elischa, d.h. von Zypern, das in Keilschrifttexten des 2. Jt. v.Chr. alašiya heißt (Bunnens, Guy u.a. 1990a; Lipiński, Edward 1990a, 50f; Belmonte Marín, Juan Antonio 2001a, 11f). Auch in den Profetenworten gegen Tyrus und Sidon scheint Zypern gemeint zu sein, wenn von den Kittäern (Jes 23,12) bzw. vom Land der Kittäer (Jes 23,1) die Rede ist. Allerdings zeigt die Wendung „Inseln der Kittäer“, dass auch Teile der Zypern benachbarten Mittelmeerinseln oder die Anwohner der diesen Inseln gegenüberliegenden Küstengebiete als Kittäer verstanden wurden. Gleiches gilt für die Kittim, die auf verschiedenen Ostraka aus Arad/Tell ‘Arād (1620.0767) als Empfänger von Wein und Getreideprodukten erwähnt sind. Bei ihnen handelte es sich vermutlich um Söldner aus dem griechischen Raum, die im 7./6. Jh. v.Chr. im Negeb stationiert waren, um die Südgrenze Judas gegen edomitisch-arabische Gruppen zu verstärken. In hellenistischer Zeit wird auch Makedonien, die Heimat Alexanders, zum Land der Kittäer gerechnet (1Makk 1,1; vgl. 1 Makk 8,5). Da die makedonische Küste die Ägäis nach Nordwesten hin begrenzt, erscheint die literarische Einbeziehung Makodoniens in das vermeintlich von Kittäern bewohnte Gebiet in Fortführung der aus den alttestamentlichen Texten zu erhebenden Tendenz folgerichtig. Josephus fasst die aus den Dokumenten des 1. Jt. v.Chr. zu erhebenden Erkenntnisse insofern sachgemäß zusammen, indem er erklärt, die Insel Chethima (Χεθιμα) heiße jetzt Zypern (Κυπρος) und daher würden „alle Inseln“ und der „größte Teil der Gebiete am Meer“ von den Hebräern „Chethē“ (Χεθη) genannt. Er fügt hinzu, auf Zypern habe sich der Name in der Stadt Kition (Κιτιον) erhalten (antiquitates 1,128). Die Tendenz, das Gebiet der jeweils über die östliche Mittelmeerwelt herrschenden Großmacht als Land der Kittäer zu bezeichnen, setzt sich in römischer Zeit fort. So ersetzt der Habakuk-Kommentar aus Qumran die Chaldäer des masoretischen Texts (Hab 1,6) durch die Kittäer (1QpHab 2,12), die von den „Inseln des Meeres“ kommen (1QpHab 3,11) und die meist auf die Römer gedeutet werden. Eindeutig in dieser Hinsicht ist die LXX zu Dan 11,30LXX, die kittîm mit Ῥωμαιοι „Römer“ wiedergibt, im Gegensatz zu der (fälschlicherweise) auf Theodotion zurückgeführten Version des griechischen Danielbuchs, die das geläufige Κιτιοι hat (Dan 11,30Th). Ebenfalls auf Rom deutet das Targum Onkelos zu Num 24,24 den Ausdruck Kittäer, während die Targumim zu Gen 10,4 entweder beim masoretischen Text bleiben und ktjm schreiben (Neofiti) bzw. mit der alttestamentlichen Überlieferung die Kittäer als Griechen interpretieren (’kzj’ „Achäer“, Pseudo-Jonatan). Die Vulgata hingegen schließt sich der Tendenz an, die Kittäer in Italien zu verorten und schreibt verschiedentlich Italia für kittîm (Num 24,24; Ez 27,6; Dan 11,30). Dem entspricht das Targum Neofiti zu Num 24,24. Letztlich können die Kittäer auch als eine Art endzeitliche Streitmacht ohne genauere Herkunftsbezeichnung gedeutet werden. Als solche fahren „kittäische Schiffe“ in einer apokalyptischen Kampfszenerie gegen den „König von Norden“ auf (Dan 11,30; vgl. Num 24,24, wo Schiffe der Kittäer Assur „demütigen“); im Jubiläenbuch treten Kittim als Vollstrecker eines endgültigen Strafgerichts an den Philistern hervor, von denen sich Isaak getäuscht fühlt (Jub 24,28f). Die vielfachen Erweiterungen und Neudeutungen des Verständnisses von kittîm in frühen Übersetzungen, Nacherzählungen und Kommentierungen des biblischen Texts scheinen dadurch bedingt zu sein, dass die alttestamentlichen Texte selbst kein einheitliches Bild von den Kittäern und ihrem „Land“ geben. So ist zu vermuten, dass die Verfassenden der Völkertafel Gen 10 einen ihnen aus phönizischen und aramäischen Dokumenten, vielleicht auch bereits aus anderen alttestamentlichen Erzählzusammenhängen, geläufigen Terminus (kt[j], ktjm), der in die östliche Mittelmeerwelt verweist, dafür verwendeten, die Liste der Nachfahren Jafets auszugestalten, ohne dass sie eine genaue Lokalisierung der Kittäer vor Augen hatten.
Autor: Detlef Jericke, 2016; letzte Änderung: 2019-10-08 11:15:11
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