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Aschkenas

 

 

 

 

 

 

Weitere Namen

Ashkenaz

Lokalisierungsvorschläge

Namensformen AT

אשכנז ’aškenaz. Ἀσχαναζ

Belege AT

Gen 10,3; Jer 51,27; 1Chr 1,6

Belege NT

ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)

iškuza (neuassyrisch: Parpola, Simo 1970a, 178)

Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit

Ἀσχαναξης, Ῥηγινοι (Josephus, antiquitates 1,126)
’šknz (Targume zu Gen 10,3: Sperber, Alexander 1959a, 14; Díez Macho, Alejandro 1968a, 52f)

Beschreibung

In den Genealogien der Noachiden Gen 10 und 1Chr 1 ist Aschkenas Personenname. Aschkenas ist der erste Sohn Gomers, eines Sohnes Jafets. Er wird demnach zur zweiten Generation nach Noach gerechnet. In dem langen Wort gegen Babel Jer 51 (LXX Jer 28) dagegen wird Aschkenas ausdrücklich als polititsche Größe, als ein „Königtum“ (mamlākāh) bezeichnet, das neben Ararat (Urartu/Armenien) und Minni (Minnäer südlich des Urmia-Sees im nördlichen iranischen Hochland) maßgeblich am Untergang Babels beteiligt sein soll. Die Angaben in den alttestamentlichen Texten führen demnach entweder nach Kleinasien, wo die Mehrzahl der Nachkommen Jafets beheimatet sein soll (Gen 10, 1Chr 1), oder in die Regionen nördlich und nordöstlich des Zweistromlands (Jer 51). Im zuletzt genannten Gebiet sollen nach keilschriftlichen Dokumenten der neuassyrischen Zeit skythische Gruppen (iškuzzaya/aškuzzaya) gekämpft haben, teilweise als Verbündete der neuassyrischen Herrscher, teilweise aber auch gegen die Assyrer. In Texten aus der Zeit Asarhaddons (erste Hälfte 7. Jh. v.Chr.) werden diese skythischen Gruppen wie in Jer 51,27 als Verbündete der Minnäer genannt. Herodot erzählt, dass im ausgehenden 7. Jh. v.Chr. die Skythen (Σκυθαι) nach einem erfolgreichen Kampf gegen die Meder für 28 Jahre „ganz Asien“ und zeitweise auch Syrien-Palästina kontrolllierten. Dabei soll Pharao Psammetichos (wahrscheinlich Psammetich I.) sie durch  Geschenke vom weiteren Vordringen nach Ägypten abgehalten haben (Herodot 1,104‒106). Sollte die Erzählung nicht ganz und gar legendär sein, ist allenfalls an skythische Söldner im Dienst der letzten neuassyrischen Herrscher an der Grenze zu Ägypten zu denken (Lipiński, Edward 1990a, 48f). Philologisch erscheint eine Verbindung von hebräisch ’aškenaz zu keilschriftlich iškuza und griechisch Σκυθαι immerhin möglich, so dass mit dem alttestamentlichen Ausdruck Aschkenas die Skythen bzw. Teile derselben gemeint sein können. Diese Gleichsetzung wird bereits in der frühen Rezeption vorausgesetzt, etwa im Targum  Neofiti, der dem Aschkenas ‒ analog zu den Skythen bei Herodot ‒ die Provinz ’sjh (Asien) zuordnet (Díez Macho, Alejandro 1968a, 52f), wobei vermutlich das Gebiet der nach der Einnahme von Pergamon 133 v.Chr. eingerichteten römischen Provinz Asia Proconsularis im Westen Kleinasiens umschrieben ist (Franxman, Thomas W. 1979a, 105; Maier, Johann 2004a, 204). Auch die meisten neueren Auslegungen folgen der Verbindung von Aschkenas zu den Skythen. Diese bildeten einen Stammesverband, der ursprünglich wohl in Steppengebieten östlich der Wolga siedelte. Teile dieses Verbands bewegten sich im 7. Jh. v.Chr. nach Westen und ließen sich nördlich des Schwarzen Meers nieder (vgl. Karte DNP 11, 647), von wo aus sie in die Kämpfe um die Vorherrschaft in der Kaukasusregion, im armenischen Hochland und im nördlichen Zweistromland eingriffen. Bei ihrem Vordringen nach Westen scheinen die Skythen die Kimmerer (Gomer) aus der Region nördlich des Schwarzen Meers nach Kleinasien verdrängt zu haben. Die geneaolgische Verbindung von Gomer und Aschkenas in Gen 10 und 1Chr 1 könnte ein Nachklang dieser Ereignisse sein. Ab dem 7. Jh. v.Chr. ist archäologisch (Parzinger, Hermann 2009a; Lebedynsky, Iaroslav 2011a) und literarisch (Herodot 4, passim) eine eigenständige skythische Hochkultur belegt, die sich bis in das 3. Jh. v.Chr. hielt. Bislang sind jedoch keine eigenen Schriftzeugnisse der Skythen nachgewiesen. Im 4. Jh. v.Chr. scheint sich ihr Kerngebiet auf die Halbinsel Krim beschränkt zu haben. Ab dem 3. Jh. v.Chr. tauchen Skythen vermehrt als Söldner in verschiedenen Militärverbänden der hellenistischen Zeit auf. Ob der griechische Name Skythopolis („Skythenstadt“) der Stadt Bet-Schean (Tell el-Ḥuṣn 1975.2123) in der östlichen Ebene Jesreel auf die Ansiedlung skythischer Söldner unter Ptolemaios II. zurückzuführen ist, bleibt unklar. Auf der anderen Seite war in der antiken Rezeption der alttestamentlichen Textbelege eine Zuordnung von Aschkenas zu skythischen Gruppen nicht selbstverständlich. LXX transkribiert die hebräische Bezeichnung ’aškenaz nicht nur in Gen 10 und 1Chr 1, wo die transkribierende Wiedergabe der Namen der Normalfall ist, sondern auch im Jeremiabuch (LXX Jer 28,27), ohne dabei eine Verbindung zu Skythen anzudeuten. Josephus, der die Skythen mit Magog in Zusammenhang bringt (antiquitates 1,123), schreibt, dass die Griechen die Nachfahren des Aschkenas (Ἀσχαναξης) „Rheginer“ (Ῥηγινοι) nennen (antiquitates 1,126). Wer mit diesen Rheginern gemeint sein soll, bleibt weitgehend unklar (Feldman, Louis H. 2000a, 45). Der Ort Rhegion und die nach ihm benannte Gegend lagen in Süditalien beim heutigen Reggio di Calabria (38º06'41"N.15º39'43"E) an der Straße von Messina (vgl. Herodot 7,170f). Da Josephus das Gebiet der Jafetiten geographisch weit fasst und ihre Grenzen im Osten am Don (Ταναις; vgl. Pill-Rademacher, Irene u.a. 1988a) und im Westen bei Cádiz (Γαδειρα) an der südspanischen Atlantikküste sieht (antiquitates 1,122), könnten mit den Rheginern von antiquitates 1,126 durchaus Bewohner des südlichen Italien gemeint sein. Neuzeitliche Auslegungen versuchen indes, die von Josephus genannten Rheginer näher am Kerngebiet der Jafetiten in und um Kleinasien zu finden. Nach Einlassungen bei Strabon wurde das süditalienische Rhegion im 7. Jh. v.Chr. von Bewohnern aus Chalkis (38º28.23º36), dem Hauptort der griechischen Insel Euboea, kolonisiert (Strabon 6,1,6; 6,2,2). Daher werden die Rheginer des Josephus auch als Bewohner von Chalkis verstanden (Franxman, Thomas W. 1979a, 105f). Ein sonst nicht weiter bekannter Ort namens Rhegianon (Ῥηγιανον) lag nach den Angaben des Klaudios Ptolemaios (geographikē 3,10,10: Stückelberger, Alfred / Graßhoff, Gerd 2006a, 322f; vgl. Maier, Johann 1991a, 189 = Maier, Johann 2004a, 171) in der Region Moesia Inferior nördlich von Thrakien am Unterlauf der Donau (Karte bei Stückelberger, Alfred / Graßhoff, Gerd 2006b, 812f). Allerdings erscheint dieser Ort zu unbedeutend, um den Angaben des Josephus als Grundlage gedient zu haben. Mitunter wird auf den Askanischen See (ἡ Ἀσκανιας λίμνη; Strabon 12,4,5) in der Landschaft Bithynien im Nordwesten Kleinasiens an der Südküste des Schwarzen Meers verwiesen (Maier, Johann 1991a, 189 = Maier, Johann 2004a, 171, zur Lage Bithyniens Pill-Rademacher, Irene u.a. 1988a). Alternativ wird Aschkenas, allerdings ohne Rekurs auf Josephus, mit den im westlichen anatolischen Hochland siedelnden Phrygiern gleichgesetzt (Hölscher, Gustav 1949a, 22f Anm. 9; zur Lage Phrygiens Orth, Wolfgang 1992a). Damit rückt Aschkenas in unmittelbare geographische Nachbarschaft zu anderen Nachkommen Jafets wie Gomer, Tubal oder Meschech (Gen 10,2). Die unterschiedlichen Erklärungsversuche im Altertum und in der Neuzeit sind letztlich ein Indiz dafür, dass sich die Größe Aschkenas geographisch nicht eindeutig festlegen lässt (Maier, Johann 1991a, 173 = Maier, Johann 2004a, 155). Im Hinblick auf Jer 51 ist die Gleichsetzung mit skythischen Gruppen die naheliegendste Lösung. Gen 10 und 1Chr 1 scheinen hingegen, wie in anderen Fällen, einen aus der Großregion Kleinasien/östliches Mittelmeer bekannten Namen für die literarische Konstruktion der Genealogie Jafets herangezogen zu haben, ohne eine nähere geographische Einordnung vorauszusetzen.

 

Autor: Detlef Jericke, 2016; letzte Änderung: 2022-02-11 18:21:55

 

 

 

 

Lexikonartikel

  • ABD 1 (1992), 490 (Hess, Richard S., Art. Ashkenaz); 5 (1992), 1056f (Rubinson, Karen S., Art. Scythians)
  • DNP 10 (2001), 951f (Muggia, Anna, Art. Rhegion); 11 (2001), 644-656 (Rolle, Renate / Bredow, Iris von, Art. Skythen)
  • EBR 2 (2009), 992f (Olson, Dennis T., Art. Ashkenaz); 4 (2012), 71-74 (Marsengill, Katherine, Art. Bithynia)

 

Literatur

Gunkel, Hermann 1910a , 152 ;  Hölscher, Gustav 1949a , 22f ;  Skinner, John 1951a , 197 ;  Simons, Jan 1959a , 10 § 28 ;  Speiser, Ephraim Avigdor 1964a , 66 ;  Westermann, Claus 1974a , 676 ;  Franxman, Thomas W. 1979a , 105f ;  Wenham, Gordon J. 1987a , 217f ;  Sarna, Nahum M. 1989a , 70 ;  Lipiński, Edward 1990a , 48f ;  Maier, Johann 1991a , 173.187.189 ;  Soggin, Jan Alberto 1997a , 169 ;  Maier, Johann 2004a , 155.169.171.204.209 ;  Gmirkin, Russell E. 2006a , 148 ;  Parzinger, Hermann 2009aSteadman, Sharon R. / McMahon, Gregory 2011aLebedynsky, Iaroslav 2011aGertz, Jan Christian 2018a , 308 ;