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Kirjat-Baal

 

 

 

 

 

 

Weitere Namen

Kirjathbaal; Kiriath-baal

Lokalisierungsvorschläge

Namensformen AT

קרית־בעל qirjat-baʿal. Καριαθβααλ. „Stadt des Baal“
 

Belege AT

Jos 15,60; Jos 18,14; Jos 18,15 LXX

Belege NT

ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)

bīt ninurta / *bīt-ʿanat ? (akkadisch, EA 290,16: Belmonte Marín, Juan Antonio 2001a, 57; Rainey, Anson Frank / Schniedewind, William M. 2015a, 1124; HTAT, 142f, Nr. 059)

Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit

Καριαθβααλ (Eusebius, Onomastikon: Timm 146,1.5 §§ 595.599; Klostermann 114,19.23; Notley R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 110 §§ 592.596); Cariathbaal (Hieronymus: Timm 146*,1.5)
 

Beschreibung

Außerbiblische Dokumente

Der Vorschlag, das in EA 290 erwähnte Toponym bīt ninurta (alternative Transkription *bīt-ʿanat) mit Kirjat-Baal zu identifizieren (Koch, Ido 2016a), beruht auf vergleichs­weise spekulativen religionsgeschichtlichen Argumenten. Diese setzen eine Verbindung zwischen den in Nordsyrien und Mesopotamien im 2. Jt. v.Chr. bezeugten Gottheiten Dagan, Ninurta und Baal voraus und erschließen daraus, dass der akkadisch bīt ninurta genannte Ort im ausgehen­den 2. Jt. v.Chr. Bit-Baʿli oder ähnlich hieß. Das Toponym bīt ninurta wird jedoch mitunter auch mit Bet-Horon in Zusammenhang ge­bracht (Kallai, Zecharia / Tadmor, Hayim 1969a; HTAT, 143 Anm. 417). In dem Amarna-Brief EA 290 reklamiert der Stadtfürst Abdu-Ḫeba von Jerusalem den Ort bīt ninurta für sein Herrschaftsgebiet. Dieser sollte demnach nicht allzu weit von Jerusalem entfernt gesucht werden, was gleichermaßen auf Kirjat-Baal und Bet-Horon zutrifft. Beide Orte liegen westlich von Jerusalem. Daher sollte man bei der Gleichsetzung von bīt ninurta mit Kirjat-Baal oder Bet-Horon einen Konflikt zwischen Jeru­salem und der ca. 30 km westlich von Jerusalem gelegenen Stadt Geser um die Kontrolle von bīt ninurta voraussetzen (Koch, Ido 2016a). Beobachtungen zum Text von EA 290 sprechen jedoch eher für eine Auseinander­setzung zwischen Jerusalem und dem im Südwesten Palästinas gelegenen Ort Keïla (Naʾaman, Nadav 1992b, 277 = Naʾaman, Nadav 2005b, 176). In diesem Fall sollte bīt ninurta südlich oder südwestlich von Jerusalem lokalisiert werden. Insofern ist eine befriedigende Lokalisierung von bīt ninurta bzw. eine breit akzeptierte Gleichsetzung mit einem alttestamentlichen Toponym bislang nicht gelungen.

Altes Testament

Der Ortsname Kirjat-Baal ist nur im Josuabuch belegt. Nach Jos 15,60 liegt der Ort im Bergland Judas. In Jos 18,14 markiert er die südwestliche, an Juda angrenzende Ecke des benjaminitischen Gebiets. In beiden Versen erfolgt eine Gleich­setzung mit Kirjat-Jearim. LXX setzt die Identifizierung voraus, wenn sie Jos 18,15 das qirjat-jeʿārîm „Kirjat-Jearim“ des masoretischen Texts mit Καριαθβααλ „Kirjat-Baal“ wiedergibt. Auch der Ortsname Baala wird in Jos 15,9 mit Kirjat-Jearim gleichgesetzt. Kirjat-Baal ist demzufolge als ein literarisch gebildeter Kompositname zu verstehen, der die Na­menselemente Baala und Jearim verbindet. Insofern ist die Gleichsetzung von Kirjat-Baal mit dem Baala von Jos 15,9 nicht zu bezweifeln. Die Notwendigkeit zur Bildung des „Alternativnamen[s]“ (Gaß, Erasmus 2005b, 53) Kirjat-Baal erklärt sich möglicherweise von daher, dass das Toponym Baala bzw. die constructus-Form Baalat noch mehrfach in den Ortslisten des Josuabuchs zu finden sind, etwa der Berg Baala (Jos 15,11), Baala im Negeb (Baala, Negeb; Jos 15,29) und ein zu Dan gerechnetes Baalat (Jos 19,44).

Lokalisierung 

Die Lokalisierung von Kirjat-Baal bzw. Baala hängt davon ab, ob man der im Josuabuch vorausgesetzten Gleichsetzung mit Kirjat-Jearim folgt oder ob man Kirjat-Baal/Baala als eigenständigen Ort auffasst. Im erstgenannten Fall ist Kirjat-Baal/Baala in Dēr el-ʿĀzar ca. 12 km westlich von Jerusalem zu finden, da hier Kirjat-Jearim lokalisiert wird. Der Platz liegt unmittelbar westlich über dem heute Abū Ġoš genannten Ort, der traditionell als Qaryat el-ʿInab bekannt ist. Möglicherweise hat sich in diesem Namen die biblische Bezeichnung „Kirjat“ erhalten (Finkelstein, Israel u.a. 2018b, 33; McKinny, Chris u.a. 2018a, 35f). Archäologische Sondagen zeigten, dass es sich im Altertum um eine zwischen 4 und 7 ha große Siedlung gehandelt haben muss und dass der Platz nahezu durchgehend von der Frühbronzezeit bis in frühislamische Zeit ge­nutzt wurde (McKinny, Chris u.a. 2018a). Neuere Ausgrabungen legen nahe, dass die Hauptbesiedlungsphasen in der Eisenzeit II ab dem 8. Jh. v.Chr. und in späthellenistisch-frührömischer Zeit lagen (Finkelstein, Israel u.a. 2018b; Gaß, Erasmus, Art. Kirjat-Jearim, WiBiLex). Die Ausgrabenden interpretieren die Befunde dahingehend, dass vom 8. bis zum 6. Jh. v.Chr. und nochmals im 2. Jh. v.Chr. eine rechteckige Plattform die gesamte Spitze des Hügels einnahm (Finkelstein, Israel u.a. 2018b, 79 Fig. 22; Gaß, Erasmus, Art. Kirjat-Jearim, WiBiLex, Abb.5). Diese Deutung beruht teilweise auf Ana­logieschlüssen zu zentralen Orten des Kleinkönigtums Israel wie Samaria (Samaria, Ort) oder Jesreel, wo solche Anlagen aus dem 9. und 8. Jh. v.Chr. archäologisch nachge­wiesen sind. In der Spätbronzezeit, der Eisenzeit I, der persischen Zeit und der frühhellenistischen Zeit scheint die Be­siedlung nur spärlich gewesen zu sein. Aus byzantinischer Zeit (5./6. Jh. n.Chr.) sind Reste einer dreischiffigen Kirche belegt (Gaß, Erasmus, Art. Kirjat-Jearim, WiBiLex, Abb.7). Am nordwest­lichen Abhang des Hügels wurde ein „farmhouse“, freigelegt, das in der Eisenzeit II und in persischer Zeit genutzt wurde (ʿAdawi, Zubair 2017a). Ab der römischen Zeit wurde die Siedlung weiter zur Quelle verlagert, die am südwestlichen Rand des heutigen Orts Abū Ġoš liegt (Ein Mor, Daniel 2015a). Inschriftenfunde lassen darauf schließen, dass sich hier zeitweise ein Lager der 10. römischen Legion befand (Finkelstein, Israel u.a. 2018b, 63–65).
Schwieriger ist die Lokalisierung, wenn Kirjat-Baal/Baala nicht mit Kirjat-Jearim identisch gesehen wird. Vereinzelt wird Ṣoba ca. 3 km südöstlich von Dēr el-ʿĀzar vorgeschlagen (Noth, Martin 1953a, , 89f; Fritz, Volkmar 1994a, 160.167), obgleich archäologisch wenig über den Ort bekannt ist. Daneben wird auf einen Siedlungshügel verwiesen, der ca. 1 km nordöstlich von Dēr el-ʿĀzar liegt (Vos, Jacobus Cornelis de 2003a, 334.458). Er ist unter der Bezeichnung „El Khirba“ („die Ruine“) verzeichnet (Abu-Sitta, Salman H. 2010a, 407). Nach Oberflächenuntersuchungen war er hauptsächlich in der Eisenzeit II besiedelt (Finkelstein, Israel / Magen, Yitzhak 1993a, 40*.208, Nr. 262; 1608.1353; 31.8107103º N, 35.1147597º E), während ein unmittelbar daneben liegender größerer Fundplatz in hellenistischer und byzantinischer Zeit genutzt wurde (Finkelstein, Israel / Magen, Yitzhak 1993a, 40*.208, Nr. 261; 1606.1354; 31.8116105º N, 35.1126466º E). Für die Lokalisierung von Kirjat-Baal/Baala käme auch der ca. 1,5 km nordwestlich von Dēr el-ʿĀzar liegen­de Hügel Ḥorvat ʿEres bzw. Ḫirbet Batn el ʿUrš (Abu-Sitta, Salman H. 2010a, 407; 1589.1363; 31.8197117º N, 35.0946825º E) in Frage. Hier stand in spätpersischer Zeit ( 4. Jh. v.Chr.) eine etwa 25 x 23 große befestigte Anlage (Mazar, Amihai / Wachtel, Ido 2015a). Die genannten Lösungsvorschläge sind jedoch Verlegenheitsangaben. Zudem fehlt die exegetische Grundlage, um Kirjat-Baal/Baala lokal von Kirjat-Jearim zu trennen. Die entsprechenden Einlassungen folgen dem auch bei der Differenzierung von Bet-El und Lus z.T. angewandten Deu­tungsmuster, das ein Toponym zum Namen des Orts, das andere zur Bezeichnung des dazugehörigen Heiligtums erklärt. Dabei wird alternativ entweder Kirjat-Jea­rim (Vos, Jacobus Cornelis de 2003a, 321–323) oder Baala (Gaß, Erasmus 2005a, 397; Gaß, Erasmus 2005b, 53f ; Gaß, Erasmus, Art. Kirjat-Jearim, WiBiLex) zum Namen des vermeintlichen Heiligtums erklärt. Da die genannte These zur Unter­scheidung zwischen Bet-El und Lus nicht haltbar ist, dürfte dasselbe auch auf Kirjat-Baal/Baala und Kirjat-Jearim zutreffen. Eine neuere religionsgeschichtliche These geht davon aus, dass die unterschiedlichen Namen darauf verweisen, dass in Kirjat-Jearim ein wichtiges Jhwh-Heiligtum stand, wobei „Baal“ nicht als Name einer eigenständigen Gottheit, sondern als Bezeichnung für Jhwh verstanden wird (Levin, Yigal 2017a). Abgesehen von den schwer nachzuvollziehenden religionsgeschichtlichen Spekulationen bleibt die These letztlich bei der topographischen Gleichsetzung von Kirjat-Baal/Baala mit Kirjat-Jearim. Diese wird bereits durch LXX bezeugt, die in Jos 18,15 Kirjat-Baal für hebräisch Kirjat-Jearim hat. Daher erscheint die Lokalisierung von Kirjat-Baal/Baala auf Dēr el-ʿĀzar die wahrscheinlichste Lösung.

 

Autor: Detlef Jericke, 2020; letzte Änderung: 2024-01-26 18:42:03

 

 

 

 

Lexikonartikel

  • BHH 2 (1964), 956 (Rüger, Hans Peter, Art. Kirjath)
  • NBL 1 (1991), 223f (Görg, Manfred, Art. Baala); 2 (1995), 486f (Görg, Manfred, Art. Kirjat)
  • ABD 1 (1992), 555 (Ehrlich, Carl S., Art. Baalah); 4 (1992), 84f (Hamilton, Jeffries M., Art. Kirjath-Jearim)
  • WiBiLex 2019 (Gaß, Erasmus, Art. Kirjat-Jearim)
  • EBR 3 (2011), 210f (Shipp, R. Mark, Art. Baalah)

 

Literatur

Cooke, Francis T. 1923-1924aNoth, Martin 1953a , 89f.110 ;  Galling, Kurt 1954a , 46 ;  Rudolph, Wilhelm 1955a , 112 ;  North, Robert 1956aAharoni, Yohanan 1958bSimons, Jan 1959a , 151.173.332, §§ 319.326.763 ;  Schunck, Klaus-Dietrich 1963a , 145 ;  Blenkinsopp, Joseph 1972a , 10 ;  McCarter, P. Kyle Jr. 1984a , 162.168 ;  Boling, Robert G. / Wright, G. Ernest 1984a , 267.369 ;  Kallai, Zecharia 1986a , 122 ;  Fritz, Volkmar 1994a , 160.167 ;  Stoebe, Hans Joachim 1994a , 188 ;  Japhet, Sara 2002a , 276 ;  Vos, Jacobus Cornelis de 2003a , 321‒323.334.458 ;  Gaß, Erasmus 2005a , 397–399 ;  Gaß, Erasmus 2005b , 53f ;  Leuchter, Mark 2008aRösel, Hartmut N. 2011a , 210f.240.262f.293 ;  Ein Mor, Daniel 2015aMazar, Amihai / Wachtel, Ido 2015aMcKinny, Charles Christopher 2016a , 64.279–285 ;  Koch, Ido 2017aLevin, Yigal 2017a , 214‒216 ;  Adawi, Zubair 2017aMcKinny, Chris u.a. 2018aFinkelstein, Israel u.a. 2018bFinkelstein, Israel / Römer, Thomas 2019aJericke, Detlef 2020a , 120–130.135.137f.249f ;