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Ofra, manassitisch

 

 

 

 

 

 

Weitere Namen

Ophra; Ophrah

Lokalisierungsvorschläge

Namensformen AT

עפרה  ʿåprāh. Εφραθα

Belege AT

Ri 6,11; Ri 6,24; Ri 8,27; Ri 8,32; Ri 9,5

Belege NT

ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)

ʿpr ? (ägyptisch: Liste Thutmoses III. Nr. 53f: Aharoni, Yohanan 1984a, 165; Hannig, Rainer 2006a, 1125f)

Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit

Ἐφρα (Josephus, antiquitates 5,232)
Ἐφραθα (Eusebius, Onomastikon: Timm 97,7, Nr. 387; Klostermann 80,2f; Notley, R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 78, Nr. 387)

Beschreibung

Name

Der Name ʿåprāh wird von ʿāpār „Staub“ oder von ʿopær („Hirschkalb“, „Gazellenjunges“; vgl. Hld 2,9; Hld 2,17; Hld 8,14) abgeleitet (Gaß, Erasmus 2005a, 20f, mit weiteren, weniger wahrscheinlichen Vorschlägen). LXX nennt das manassitische Ofra durchgehend Εφραθα. Damit wird terminologisch eine Verbindung zum benjaminitischen Ofra (Ofra, benjaminitisch) hergestellt, das zumindest bei einem Hauptzeugen (LXXB zu Jos 18,23) ebenfalls Εφραθα heißt (alternativ Αφρα, LXXA Jos 18,23; Γοφερα 1Sam 13,17). Darüber hinaus wird Ofra auf diese Weise in Deckung gebracht mit dem Toponym Efrata, das mit Betlehem in Juda gleichgesetzt wird, wobei allerdings auch nördlich von Jerusalem im Territorium von Efraim Efratiter bezeugt sind (1Kön 11,26). Möglicherweise war in hellenistisch-römischer Zeit der Name Ofra nicht mehr gebräuchlich und wurde im Laufe der LXX-Überlieferung durch das zeitgenössisch vertraute Toponym Εφραθα ersetzt, das vom Konsonantenbestand her dem hebräischen Namen verwandt ist.

Altes Testament

Ofra ist der Heimatort des Richters Gideon (Ri 6-8). Dort lebt sein Vater Joasch (Ri 6,11) und dort baut Gideon einen Altar für Jhwh (Ri 6,24). Anschließend zerstört er ein Kultbild Baals und erhält den Beinamen Jerubbaal (Ri 6,25-32). Nach dem Sieg über die Midianiter errichtet Gideon in Ofra ein „Efod“, was in diesem Fall wohl eine kleine Götterstatue meint (Ri 8,27; Groß, Walter 2009a, 459). Schließlich wird er in Ofra begraben (Ri 8,32). Auch Abimelech als einer der Nachkommen Gideon-Jerubbaals agiert in Ofra, wo er seine 70 Brüder mit Ausnahme des Jotam umbringt (Ri 9,5). Joasch und Gideon gehören zur Sippe Abiëser (Ri 6,11). Daher heißt ihr Heimatort auch ʿåprāh ʾabî-hāʿæzrî „Ofra des Abiësriters“ (Ri 6,24; Ri 8,32). Abiëser zählt zu Manasse (Jos 17,2). Der als „Abiëser“ zu lesende Name ʾbʿzr ist auf zwei Samaria-Ostraka (Nr. 13 und Nr. 28) des 8. Jh.s v.Chr. südwestlich von Sichem bezeugt (Renz, Johannes / Röllig, Wolfgang 1995a, 86f.93.97; Niemann, Hermann Michael 2008a = Niemann, Hermann, Michael 2015a, 63–78). Daher sollte das „Ofra des Abiësriters“ in dieser Gegend gesucht werden, in die auch Ri 9,5 weist.
Mitunter wird neben diesem bei Sichem gelegenen Ort noch ein weiteres Ofra in der Ebene Jesreel postuliert, da sich die Kämpfe Gideons gegen die Koalition aus Midian, Amalek und den „Leuten des Ostens“ hauptsächlich dort abspielen (Ri 6,33 und Ri 7; vgl. Abel, Félix-Marie 1937a; Gal, Zvi 1982a, 83; Gaß, Erasmus 2005a, 270–278). Zudem wird zumindest ein Teil der Ebene Jesreel theoretisch zu Manasse gerechnet (Ri 1,27). Allerdings ist die Gideon-Komposition in Ri 6-8 geographisch so weiträumig angelegt, dass Gideons Heimatort nicht zwingend im Kampfgebiet gesucht werden muss (Gaß, Erasmus 2005a, 336). Außerdem spielt Ofra lediglich in den Rahmenteilen von Ri 6-8 eine Rolle, nicht jedoch in der Schilderung der Auseinandersetzungen, die im Zentrum der Kapitel stehen. Daher ist aufgrund der alttestamentlichen Überlieferung kein Ofra in der Ebene Jesreel zu erschließen (Groß, Walter 2009a, 398f). Eine solche Annahme wäre allenfalls gerechtfertigt, wenn sich zeigen ließe, dass das ägyptische Toponym ʿpr aus der Liste des Pharao Thumoses III. (s.u.) mit dem Ofra der Gideongeschichte identisch ist. Die ägyptischen Pharaonen waren weniger an den Bergländern Palästinas interessiert, vielmehr versuchten sie, die Ebenen mit den wichtigen Hauptverkehrswegen zu kontrollieren. Somit ist ʿpr (ägyptisch) am ehesten in der Ebene Jesreel vorzustellen. Ob jedoch zwischen dem ägyptischen Ortsnamen und dem alttestamentlichen Ofra eine Verbindung besteht, ist unsicher (s.u.).
Ausgehend von der LXX-Überlieferung zu Ofra wurde auch vorgeschlagen, den Ort mit Efrata gleichzusetzen und bei Betlehem in Juda zu lokalisieren. Das Toponym Ofra wird in diesem Zusammenhang als „an artificial literary creation“ interpretiert (Niesiolowski-Spanò, Lukasz 2005a, Zitat S. 483). Dabei wird allerdings nicht zwischen dem manassitischen und dem benjaminitschen Ofra unterschieden. Die vermeintliche Lage Ofras in Juda wird u.a. aus dem PN Ofra in 1Chr 4,14 erschlossen. Auch die Vorschläge, statt Migdal-Eder (Gen 35,21; Mi 4,8) *Migdal-Ephra bzw. statt Bet-Leafra (Mi 1,10) *Bet-Ephra zu lesen und damit weitere judäische Toponyme mit der Wurzel ʿpr zu belegen, überzeugen nicht.

Außerbiblische Belege
 
Die Liste der angeblich vom Pharao Thutmoses III. (15. Jh. v.Chr.) in der Levante eroberten Orte enthält zwei Mal das Toponym ʿpr, zunächst ʿpr wr „das große ʿpr“ (Nr. 53), dann ʿpr-šrj „das kleine ʿpr“ (Nr. 54). Mitunter wird die erstgenannte Wendung auf das alttestamentliche Ofra gedeutet (Aharoni, Yohanan 1984a, 165; Gaß, Erasmus 2005a, 272). Vom Kontext her wäre dies möglich, da vor ʿpr Toponyme gelistet sind, die in die nördliche Küstenebene Palästinas bzw. in die Umgebung der Ebene Jesreel weisen wie ʿk3 (Akko, Nr. 47), rš qds (Kap des Karmelgebirges?, Nr. 48) oder šmš ʾtm (Adama, Naftali / Qarn Ḥaṭṭīn? Jos 19,36; Nr. 51) und die Liste nach ʿpr Namen aus dem Süden Plästinas aufweist wie ngb (Negeb, Nr. 57), jp(w) (Jafo, Nr. 62) oder knt/knṯ (Gat?, Nr. 63) (Aharoni, Yohanan 1984a, 165). Damit ist ʿpr entweder in der Ebene Jesreel oder im nördlichen palästinischen Bergland vorzustellen, wo auch das manassitische Ofra liegen könnte (s.o.). Allerdings ist aufgrund des häufigen Vorkommens der Wurzel ʿpr in Ortsangaben eine Übereinstimmung nicht zwingend, zumal das ägyptische ʿpr auch als „Ofel“ gelesen werden kann (Hannig, Rainer 2006a, 1125f).
Dokumente aus nachalttestamentlicher Zeit erwähnen das manssitische Ofra nur selten, im Gegensatz zum gleichnamigen benjaminitischen Ort (Ofra, benjaminitisch), der häufig genannt und nördlich von Jerusalem lokalisiert wird. Josephus erwähnt lediglich einmal den Heimatort Gideons und transkribiert ihn als Ἐφρα (antiquitates 5,232), ohne dabei nähere Angaben zur Lage zu machen. Eusebius führt das Ofra des Richterbuchs nicht als eigenes Lemma auf. Lediglich zum Stichwort Δρῦς „Eiche“ aus Ri 6,11 schreibt er, dies sei Ἐφραθα in Manasse, die Heimat Gideons (Onomastikon 97,7, Nr. 387 [Timm] = 80,2f [Klostermann]). Eusebius folgt hier der LXX-Fassung des Verses, die den hebräischen Ortsnamen ʿåprāh mit Εφραθα wiedergibt.

Lokalisierung
 
Die Lokalisierung des manassitischen Ofra hängt davon ab, ob man Gideons Heimatort in der Ebene Jesreel oder bei Sichem sucht.
In der Ebene Jesreel wird häufiger die Gleichsetzung mit el-ʿAffūle, der heutigen Stadt ʿAfula vorgeschlagen (u.a. Aharoni, Yohanan 1984a, 278.444; Kallai, Zecharia 1986a, 422–424; ABD 5, 27f; Grootkerk, Salomon E. 2000a, 289; vgl. Gaß, Erasmus 2005a, 273f). Durch Grabungen und Oberflächenuntersuchungen ist dort eine nahezu durchgängige Besiedlung von der Frühbronzezeit bis in frühislamische Zeit nachgewiesen (Dothan, Moshe 1955a; Gal, Zvi / Covello-Paran, Karen 1996a). Insofern könnte hier auch das ägyptische Toponym ʿpr lokalisiert werden. Daneben werden noch drei Ortslagen für die Gleichsetzung mit Ofra diskutiert, die jeweils das Namenselement eṭ-Ṭayyibe enthalten, das auch bei der Lokalisierung des benjaminitischen Ofra eine Rolle spielt (Ofra, benjaminitisch; zur Namensverbindung eṭ-Ṭayyibe / Ofra vgl. Hartmann, Richard 1911a). Obwohl auch Ḫirbet Ṭayyibe und Ḫirbet eṭ-Ṭayyibe archäologische Reste aus alttestamentlicher Zeit aufweisen, kommt von der Lage her in erster Linie das ca. 10 km nordwestlich von Bet-Schean gelegene eṭ-Ṭayyibe für eine Lokalisierung von Ofra in Frage (Gaß, Erasmus 2005a, 274f). Angeblich hieß der Ort noch im Mittelalter ʿAfrabalā (bei den Kreuzfahrern Forbelet), was auf ein „Ofra des Baal“ und damit auf den Ri 6-8 mehrfach erwähnten Baalkult zurückgehen könnte (Abel, Félix-Marie 1937a). Allerdings wird der Platz auch für Hafarajim (Jos 19,19) in Anspruch genommen. Zudem reichen nach derzeitigem Kenntnisstand die archäologischen Spuren am Ort lediglich bis in die hellenistische Zeit zurück (vgl. Gaß, Erasmus 2005a, 274).
In der Umgebung von Sichem, wohin die alttestamentlichen Belege mehrheitlich weisen (s.o.), werden ebenfalls mehrere Ortslagen für eine Gleichsetzung mit Ofra diskutiert (Gaß, Erasmus 2005a, 276–278). Dazu gehört ein weiteres eṭ-Ṭayyibe (Albright, William Foxwell 1931a, 248), das allerdings größtenteils nur Reste der frühen und mittleren Bronzezeit aufweist und zudem zu weit westlich liegt, um noch zum erschlossenen Territorium Manasses gerechnet zu werden. In der älteren Fachliteratur wird ebenfalls die Gleichsetzung mit dem großen Tell el-Fār‘a Nord vorausgesetzt (Noth, Martin 1927a, 222.233 = Noth, Martin 1971a, 167.175), der ca. 9 km nördlich von Sichem liegt und bedeutende archäologische Reste der Bronzezeit und der Eisenzeit aufweist. Auf diesem Siedlungshügel wird jetzt jedoch gewöhnlich das alttestamentliche Tirza lokalisiert. Gelegentlich wird die ca. 6 km westsüdwestlich von Sichem gelegenen Ḫirbet el-ʿŌfar zur Gleichsetzung mit Ofra erwogen (Eshel, Hanan 1982a; Erlich, Zeev 1983a). Die Lage wäre passend, auch der Name klingt an das alttestamentliche Toponym an. Die ältesten archäologischen Reste stammen jedoch erst aus der römichen Zeit (Gaß, Erasmus 2005a, 277f).  Der ca. 11 km südwestlich von Sichem gelegene Ort Ferʿata könnte ebenfalls im Gebiet der durch zwei Samaria-Ostraka ausgewiesenen Sippe Abiëser gelegen haben und weist neben Keramik der römisch-byzantinischen Zeit auch Siedlungsspuren der Eisenzeit II auf (Kochavi, Moshe u.a. 1972a, 167). Ob jedoch die Annahme, der ursprüngliche Name von Ofra sei Ofrata gewesen und der heutige Ortsname sei durch Metathesis entstanden (Naʾaman, Nadav 1989a), zutrifft, erscheint fraglich. Meist wird Ferʿata mit dem alttestamentlichen Piraton (Ri 12,13; Ri 12,15 u.ö.) gleichgesetzt (Gaß, Erasmus 2005a, 352–355). Der noch einmal ca. 4 km südwestlich von Ferʿata gelegene Ort Ǧinṣāfūt wird nur einmal für die Gleichsetzung mit Ofra vorgeschlagen (Knauf, Ernst Axel 1991b, 36–39; vgl. RGG4 6, 594). Die These setzt eine „gewagte etymologische Ableitung“ (Gaß, Erasmus 2005a, 277) des heutigen Ortsnamens von einer erschlossenen hebräischen Wendung gan haššōpēṭ „Garten des Richters“ voraus. Zudem sind bislang nur archäologische Reste der frühislamischen Zeit bezeugt (Kochavi, Moshe u.a. 1972a, 167). Am meisten Zustimmung hat die Lokalisierung von Ofra auf Tell Ṣōfar (Donner, Herbert 1990a) gefunden (WiBiLex, Art. Ofra, 3.). Der etwa 4 km westnordwestlich von Sichem gelegene ca. 100 x 80 m große Platz weist Siedlungsspuren der frühen und späten Bronzezeit, der Eisenzeit II, der persischen Zeit und späterer Epochen auf. Bei Rettungsgrabungen wurden Siedlungsschichten vom 9. Jh. v.Chr. bis in hellenistische Zeit entdeckt (Gaß, Erasmus 2005a, 276). Tell Ṣōfar liegt sicher im vermeintlichen Territorium Manasses, allerdings etwas weiter nördlich als das erschlossene Siedlungsgebiet Abiësers. Bei Abwägung aller Kriterien dürfte der Heimatort Gideons und Abimelechs am ehesten hier zu finden sein.    
Dagegen beruht die nicht nachvollziehbare Gleichsetzung von Gideons Ofra mit dem zwischen Jerusalem und Betlehem gelegenen Siedlungsplatz Ḫirbet Ṣāliḥ / Rāmat Rāḥel weitgehend auf der LXX-Überlieferung zu Ofra und auf einigen lediglich erschlossenen Lesungen judäischer Toponyme (Niesiolowski-Spanò, Lukasz 2005a; s.o.).  



 

 

Autor: Detlef Jericke, 2021; letzte Änderung: 2021-06-01 12:29:18

 

 

 

 

Lexikonartikel

  • RGG3 4 (1960), 1659f (Kuschke, Arnulf, Art. Ophra)
  • BHH 2 (1964), 1353 (Elliger, Karl, Art. Ophra)
  • EAEHL 1 (1975), 32–36 (Dothan, Moshe, Art. ʿAfula)
  • TRE 25 (1995), 299f (Fritz, Volkmar, Art. Ophra)
  • NBL 3 (2001), 26f (Vieweger, Dieter, Art. Ofra)
  • ABD 5 (1992), 27f (Hamilton, Jeffries M., Art. Ophra)
  • NEAEHL 1 (1993), 37–39 (Dothan, Moshe, Art. ʿAfula)
  • RGG4 6 (2003), 594 (Knauf, Ernst Axel, Art. Ophra [in Manasse])
  • WiBiLex 2013 (Koenen, Klaus, Art. Ofra)
  • EBR 1 (2009), 505f (Ristau, Kenneth, Art. Affula, El-)

 

Literatur

Albright, William Foxwell 1922bAlbright, William Foxwell 1924aNoth, Martin 1927a , 222.233 ;  Abel, Félix-Marie 1937aAbel, Félix-Marie 1938a , 402f ;  Dothan, Moshe 1955aSimons, Jan 1959a 291, § 561 ;  Noth, Martin 1971a , 167.175 ;  Rainey, Anson Frank 1978a , 10 ;  Gal, Zvi 1982a , 83 ;  Eshel, Hanan 1982aErlich, Zeev 1983aAharoni, Yohanan 1984a , 278.444 ;  Kallai, Zecharia 1986a , 422–424 ;  Naʾaman, Nadav 1989aKnauf, Ernst Axel 1990bDonner, Herbert 1990aKnauf, Ernst Axel, 1991bGal, Zvi / Covello-Paran, Karen 1996aGrootkerk, Salomon E. 2000a , 289 ;  Gaß, Erasmus 2005a , 270–278 ;  Niesiolowski-Spanò, Lukasz 2005aGroß, Walter 2009a , 398f ;