Universität Heidelberg | Theologische Fakultät Trier
Ortsangaben der Bibel (odb)
Start orte Ortsnamen Literatur Karte    

zurück zur Übersicht

 

Efraim, Ort

 

 

 

 

 

 

Weitere Namen

Ephraim

Lokalisierungsvorschläge

Namensformen AT

אפרים ʾæprājim. Εφραιμ

Belege AT

2Sam 13,23

Belege NT

Joh 11,54

ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)

Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit

Αφαιρεμα ? (1Makk 11,34; Josephus, antiquitates 13,127)
Ἐφραϊμ (Joh 11,54; Josephus, bellum 4,551; Eusebius, Onomastikon: Timm 106,4f, Nr. 418; 114,4f, Nr. 459; Klostermann 86,1f; 90,18f;  Notley R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 83.88, Nr. 418.457)
Αἰφραιμ (Eusebius, Onomastikon: Timm 31,7f, Nr. 100; Klostermann 28,4f; Notley R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 30, Nr. 100)
Ἐφρων / Εφραια ? (Mosaikkarte von Mādebā: Donner, Herbert 1992a, 50f, Nr. 43)
 

Beschreibung

Name

Der Name Efraim könnte von hebräsch ʾepær „Staub“ abgeleitet werden, zumal dieses wenig gebräuchliche Nomen in erzählerischem Zusammenhang mit dem Toponym Efraim steht (2Sam 13,19). Da ʾepær weitgehend bedeutungsgleich ist mit dem häufigeren Ausdruck ʿāpār, von dem der Ortsname ʿåprāh abgeleitet wird (Ofra, benjaminitisch; Ofra, manassitisch), wird meist vermutet, dass das Toponym Efraim von 2Sam 13,23 lediglich ein anderer Name für das benjaminitische Ofra ist. Auch zum Ortsnamen Efron, der zeitweise für Ofra gebräuchlich gewesen zu sein schein (Efron, Ort), lassen sich philologische Verbindungen aufzeigen, da das qe zu Efron in 2Chr 13,19 ʿæprajin für ʿæprôn (ketîb) angibt. Allerdings steht einer exakten sprachlichen Übereinstimmung von Efraim und Ofra/Efron der unterschiedliche Anlaut entgegen, der jedoch auch im Fall der bedeutungsgleichen Nomina ʾepær und ʿāpār zu konstatieren ist. LXX unterscheidet zumindest terminologisch zwischen Efraim (Εφραιμ), Ofra (Εφραθα, Αφρα, Γοφερα) und Efron (Εφρων). Erst die nachalttestamentliche Literatur setzt die topographische Identität der drei Toponyme voraus (s.u.).

Altes Testament

Der Platz, an dem Abschalom seinen Bruder Amnon töten lässt, heißt nach 2Sam 13,23 Baal-Hazor und soll in bzw. bei Efraim (ʿim ʾæprājim) liegen. Nach dem Erzählzusammenhang befindet sich die Örtlichkeit nicht weit von Jerusalem entfernt. Da sich nordöstlich von Jerusalem in nachalttestamentlicher Zeit eine Ortschaft namens Efraim befand (s.u.), gehen die meisten Auslegenden davon aus, dass der Name in 2Sam 13,23 nicht, wie sonst im Alten Testament, eine Landschaft (Gebirge Efraim; Land Efraim), sondern einen bestimmten Ort bezeichnet. Die Präposition ʿim ist zu unbestimmt, um zu entscheiden, ob „in“ oder „bei“ Efraim gemeint ist. Topographisch wäre die Deutung als Landschaftsname möglich, da Baal-Hazor meist mit Tell ʿAṣūr gleichgesetzt wird, einem Hügel, der nach der Konstruktion der Landverteilungstexte des Josuabuchs im Stammesgebiet Efraims, also auf dem Gebirge Efraim liegt. Gegen eine solche Deutung spricht, dass in 2Sam 13,23 Efraim ohne erklärende Landschaftsbezeichnung wie har „Gebirge“ (Jos 17,15 u.ö.) oder ʾæræṣ „Land“ (Dtn 34,2; Ri 12,15) gebraucht ist. Auch LXX verstand Efraim im genannten Vers wohl als Ortsname, wenn sie schreibt ἐν Βελασωρ τῇ ἐχόμενα Εφραιμ „in Baal-Hazor, das an Efraim angrenzt“. Baal-Hazor liegt etwa 3 km nordwestlich von eṭ-Ṭayyibe, wo das benjaminitische Ofra lokalisiert wird (Ofra, benjaminitisch). Daher wird in der kommentierenden Literatur meist davon ausgegangen, dass Efraim lediglich ein anderer Name für Ofra/Efron ist.
Mitunter wird die Namensvielfalt damit erklärt, dass die einzelnen Namen zu verschiedenen Zeiten in Gebrauch waren (Schunck, Klaus-Dietrich 1961a). Prinzipiell sind bis zu drei Namen für einen Ort im Alten Testament nicht auszuschließen, wie das Beispiel des nahegelegenen Bet-El zeigt, für das mit Lus und Bet-Awen zwei Code- oder Decknamen belegt sind. Ähnlich verhält es sich bei den ebenfalls zu Benjamin gerechneten Toponymen Kirjat-Jearim, Kirjat-Baal, und Baala (Jericke, Detlef 2020a, 68-93.120-141). Philologisch (s.o.) und topographisch (s.u.) ist die Identität von Efraim und Ofra/Efron jedoch nicht eindeutig.

Nachalttestamentliche Dokumente

Das Makkabäerbuch erwähnt einen Bezirk (νόμος) bzw. einen Bezirksvorort Αφαιρεμα (1Makk 11,34 LXXL; vgl. die Nacherzählung des Josephus, antiquitates 13,127), der neben Lydda (Lod) und Ramatajim vom seleukidischen Herrscher Demetrius II. an Juda übergeben wurde (Raviv, Dvir 2019a). Ob dieses Aphairema mit dem auf dem östlichen Teil des Gebirges zu suchenden Efraim von 2Sam 13,23 identisch ist, wie gern angenommen wird (Möller, Christa / Schmitt, Götz 1976a, 90; Schmitt, Götz 1995a, 56–58; ABD, Art. Ophra; NBL, Art. Ofra; WiBiLex, Art. Ofra, 2.), ist unsicher. Zumindest der anschließend genannte Bezirk Lydda ist noch in der Küstenebene zu suchen und auch das Ramatajim von 1Makk 11,34 wird gern in der Schefela (Schefela, Israel) bzw. am Westrand des Gebirges lokalisiert (Möller, Christa / Schmitt, Götz 1976a, 158f; Schmitt, Götz 1995a, 288; Jericke, Detlef / Schmitt, Götz 1992a). Daher erscheint es fraglich, ob Aphairema wesentlich weiter östlich als die beiden anderen in 1Makk 11,34 genannten Bezirke lag.
Dagegen lag der Joh 11,54 und bei Josephus (bellum 4,551) erwähnte Ort Ἐφραϊμ in der Gegend, in der das alttestamentliche Efraim von 2Sam 13,23 vorzustellen ist. Während aus Joh 11,54 indirekt zu erschließen ist, dass es sich um einen Ort in Wüstennähe handelte, da er Rückzugsort für Jesus und seine Jünger gewesen sein soll und die Wüste auch in anderen neutestamentlichen Texten als Rückzugsort genannt ist (Mt 4,1; Mk 1,12; Lk 4,1), weisen die topographischen Angaben bei Josephus durchweg auf die Ostseite des mittelpalästinischen Berglands. Vespasian erobert zunächst das Gebiet von Gophna (Ǧifnā ca. 5 km nordnordwestlich von Bētīn/Bet-El und ca. 8 km westlich von eṭ-Ṭayyibe/Ofra; Möller, Christa / Schmitt, Götz 1976a, 76f; Jericke, Detlef / Schmitt, Götz 1992a), und die Landschaft Akrabratēnē (südöstlich von Sichem/Neapolis am Ostabfall des Berglands; Jericke, Detlef 2020a, 194f), danach die zwei „kleinen Städte“ (πολίχνια) Bet-El (Βηθηγα, wahrscheinlichVerschreibung aus Βηθηλα, s. Möller, Christa / Schmitt, Götz 1976a, 44f) und Ephraim, bevor er nach Jerusalem weiterzieht. Eusebius erwähnt Ἐφραϊμ als Rückzugsort Jesu (Onomastikon 90,18f [Klostermann]= 114,4f, Nr. 459 [Timm]). Ein gleichnamiges „großes Dorf“ (κώμη Ἐφραῒμ μεγίστη) identifiziert er mit dem alttestamentlichen Efron (Ἐφρων). Efron/Efraim lokalisiert er etwa 20 römische Meilen nördlich von Jerusalem (Αἰλια) (Onomastikon 86,1f [Klostermann] = 106,4f, Nr. 418  [Timm]). Auch das benjaminitische Ofra (Ἀφρα, Onomastikon 28,4f [Klostermann] = 31,7f, Nr. 100 [Timm]) identifiziert er mit einem zeitgenössischen Efraim (Αἰφραιμ), das 5 römische Meilen östlich von Bet-El liegen soll. Die weitgehend vom Onomastikon des Eusebius abhängige Mosaikkarte von Mādebā weist östlich von Bet-El den Eintrag  Εφρων ἡ Εφραια („Ephron, das ist Ephraia“) auf und setzt hinzu „wohin der Herr ging“ (Donner, Herbert 1992a, 50f, Nr. 43). Die Namensform Εφραια erklärt sich aus der lateinischen Übersetzung des Onomastikon, die Ἐφρων mit Efraea angibt (Timm 106*,4). Auf diese Weise verfestigte sich die Vorstellung, die alttestamentlichen Toponyme Ofra, Efron und Efraim seien verschiedene Namen für den gleichen Ort, der darüber hinaus dem neutestamentlichen Efraim von Joh 11,54 entspricht.
Während jedoch die Gleichsetzung von Ofra und Efron plausibel erscheint (Ofra, benjaminitisch; Efron, Ort), erheben sich gegenüber der Identifizierung mit dem alttestamentlichen Efraim von 2Sam 13,23 Vorbehalte. Diese betreffen nicht nur die philologischen Probleme (s.o.) und die Frage, ob Efraim im genannten Vers überhaupt ein Ortsname ist, sondern auch die topographischen Angaben des Eusebius. Die Entfernung von 5 Meilen zwischen Bet-El und Ofra/Αἰφραιμ führt auf eṭ-Ṭayyibe. Da Eusebius die Distanz zwischen Jerusalem und Bet-El mit 12 Meilen angibt (Onomastikon 40,20f [Klostermann] = 50,10f [Timm]), ist eṭ-Ṭayyibe, wo Ofra/Αἰφραιμ liegt, ca. 17 Meilen von Jerusalem entfernt. Efron/Efraim soll jedoch 20 Meilen von Jerusalem entfernt liegen, also nochmals ca. 3 Meilen nördlich von eṭ-Ṭayyibe. Von daher erscheint eine Gleichsetzung von Efraim mit Ofra problematisch. Dennoch wird zumeist davon ausgegeangen, dass die von Eusebius genannten Orte alle in eṭ-Ṭayyibe zu finden sind. Dabei greift man auf Verlegenheitslösungen zurück und behilft sich entweder mit der Annahme, die 20 Meilen seien eine runde Zahl (Schmitt, Götz 1995a, 57), oder mit der Vermutung, die längere Distanz von ca. 8 Meilen zwischen Bet-El und Efron/Efraim beziehe sich auf den Hauptweg, die 5 Meilen zwischen Bet-El und Ofra/Αἰφραιμ dagegen wiesen auf einen Fussweg bzw. Saumpfad (Abel, Félix-Marie 1938a, 402; WiBiLex, Art Ofra, 2.).

Lokalisierung

Sollte Efraim in 2Sam 13,23 lediglich ein anderer Name für das benjaminitische Ofra sein, so ist die Gleichsetzung mit eṭ-Ṭayyibe vorgegeben. Der Platz liegt am Ostrand des Berglands ca. 7 km nordöstlich von Bet-El/Bētīn. Durch Oberflächenfunde ist eine Besiedlung in alttestamentlicher, in römischer und frühkirchlicher Zeit nachgewiesen (s. Ofra, benjaminitisch), also in den Zeiten, aus denen die wesentlichen literarischen Dokumente zu Efraim stammen. Folgt man den Entfernungsangaben des Eusebius, so käme für eine Lokalisierung von Efraim auch die Ḫirbet el-Marǧame in Frage (Albright, William Foxwell 1922b). Der Siedlungsplatz liegt ca. 12 km nordöstlich von Bet-El/Bētīn und entspricht damit der von Eusebius vorausgesetzten Distanz von 8 römischen Meilen zwischen Bet-El und dem „großen Dorf Efraim“. Ḫirbet el-Marǧame liegt bei der Quelle ʿAin es-Sāmiya und ist eine der größten mehrperiodischen Siedlungsstätten am Ostabfall des Berglands. Nach Oberflächenuntersuchungen wurde der Platz aufgrund der guten Wasserversorgung nahezu durchgehend von der Frühbronzezeit bis in römisch-byzantinische Zeit genutzt (Greenberg, Raphael / Keinan, Adi 2009a, 56 Nr. 214.215.217). Grabungen beschränkten sich auf eisenzeitliche Reste. Dabei wurde ein größeres Gebäude von 14,5 x 30 m und ein massiver Turm an der Nordseite freigelegt. Die Ausgräber rekonstruieren eine etwa 3 ha große, ummauerte Stadtanlage, die vom 10. bis in das 8. Jh. v.Chr. stand (NEAEHL 3, 965f; Mazar, Amihai 1995a; WiBiLex, Art. Chirbet el-Marǧame; Hofeditz, Ulrich 2020a, 148f). Insofern deckt auch Ḫirbet el-Marǧame die Perioden ab, aus denen die besprochenen literarischen Dokumente stammen. Allerdings wird die Siedlungsstätte auch zur Lokalisierung verschiedener anderer alttestamentlicher Toponyme wie Emek-Keziz, Zemarajim oder Baal-Schalischa vorgeschlagen (McKinny, Charles Christopher 2016a, 317–320). Darüber hinaus bleibt offen, warum ein so auffälliger Platz nur einmal im Alten Testament erwähnt sein sollte, dazuhin lediglich als Orientierungspunkt für den eigentlich gemeinten Schauplatz Baal-Hazor. Insofern bleibt eine verlässliche historisch-topographische Bestimmung des Orts- oder Landschaftsnamens Efraim aus 2Sam 13,23 vorerst offen.  


 

 

Autor: Detlef Jericke, 2021; letzte Änderung: 2021-07-08 11:48:12

 

 

 

 

Lexikonartikel

  • NBL 3 (2001), 26f (Vieweger, Dieter, Art. Ofra)
  • ABD 2 (1992), 556 (Thompson, Henry O.); 5 (1992), 27f (Hamilton, Jeffries M., Art. Ophra)
  • WiBiLex 2013 (Koenen, Klaus, Art. Ofra); 2016 (Koenen, Klaus, Art. Chirbet el-Marǧame); 2018 (Koenen, Klaus, Art. Efron)
  • EBR 17 (2019), 919-921 (McKinny, Chris, Art. Marjamah, Khirbet el-)

 

Literatur

Albright, William Foxwell 1922bAlbright, William Foxwell 1923aAlbright, William Foxwell 1924a , 124–133 ;  Abel, Félix-Marie 1938a , 402f ;  Simons, Jan 1959a , 334 § 774-5 ;  Schunck, Klaus-Dietrich 1961aSchmitt, Götz 1987aSchmitt, Götz 1988aJericke, Detlef / Schmitt, Götz 1992aJericke, Detlef / Schmitt, Götz 1993aSchmitt, Götz 1995a , 56–58 ;  McKinny, Charles Christopher 2016a , 328 ;  Raviv, Dvir 2019aHofeditz, Ulrich 2020a , 93.148f ;