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Horma

 

 

 

 

 

 

Weitere Namen

Hormah

Lokalisierungsvorschläge

Namensformen AT

חרמה ḥårmāh. Ερμα, ἀνάθεμα. „Bannort“

Belege AT

Num 14,45; Num 21,3; Dtn 1,44; Jos 12,14; Jos 15,30; Jos 19,4; Ri 1,17; 1Sam 30,30; 1Chr 4,30

Belege NT

ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)

ḥ3jm ? (ägyptisch: Posener, Georges 1940a, 64; Helck, Wolfgang 1971a, 50; Gaß, Erasmus 2005a, 48)

Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit

Ἀρμα (Eusebius, Onomastikon: Timm 41,4, Nr. 152;  Klostermann 34,13; Notley, R. Steven / Safrai, Ze’ev 2005a, 37, Nr. 152), Hieronymus: Arma (Timm 141*,2)
Ἐρμα (Eusebius, Onomastikon: Timm 102,10-103,2; 108, 9f, Nr. 407.432; Klostermann 82,24; 88,1; Notley, R. Steven / Safrai, Ze’ev 2005a, 81.85, Nr. 407.432), Hieronymus: Erma (Timm 102*,10-103*,1; 108*,10)
 

Beschreibung

In den ägyptischen Ächtungstexten und in einer auf der Sinaihalbinsel gefundenen Inschrift aus der Zeit des Pharao Amenemhet (Ammenemes) III. (19./18. Jh. v.Chr.) ist der Orts- oder Landschaftsname ḥ3jm bezeugt. Die mitunter erwogene Gleichsetzung mit dem altestamentlichen Horma erscheint fraglich, da sie philologisch nicht zwingend ist und da die ägyptischen Texte keine Hinweise auf die Lokalisierung des Toponyms geben (vgl. Gaß, Erasmus 2005a, 48).
Die alttestamentlichen Landnahmeüberlieferungen, die Horma erwähnen (Num 14,45; Num 21,3; Dtn 1,44; Ri 1,17), erwecken den Eindruck, als sei der Ortsname weitgehend symbolisch gemeint, was eine historisch-topographische Nachfrage ausschließen würde. Bei einem aus dem Negeb unternommenen Versuch, auf das Bergland vorzudringen, werden die Israeliten von den dort ansässigen Bewohnern nach Horma zurückgedrängt (Num 14,45; Dtn 1,44). Der von ḥrm „bannen, vollständig zerstören“ abzuleitende Name Horma scheint hier lediglich auf die Situation der Israeliten nach dem Fehlschlag und nicht auf den Namen eines lokalisierbaren Ortes zu deuten, zumal Horma in Num 14,45 mit Artikel steht. LXX versteht allerdings haḥårmāh an dieser Stelle als Ortsangabe und gibt den Ausdruck mit Ερμα wieder. Auch in Dtn 1,44 könnte Horma eventuell als Ortsname angesehen werden. Der Vers lokalisiert Horma „in Seïr“. Da Horma nach den siedlungsgeographischen Texten (s.u.) im Negeb liegen soll und dieser nach alttestamentlichem Verständnis nicht zu Seïr/Edom gehört, schreiben LXX und andere Textzeugen „von Seïr“. Der Negeb wurde jedoch seit dem 7./6. Jh. v.Chr. auch von edomitisch-arabischen Gruppen besiedelt und spätestens ab dem 5. Jh. v.Chr. von diesen im Wesentlichen kontrolliert, so dass die Region ab dem 4. Jh. v.Chr. Idumäa genannt wurde. Wenn die Entstehung von Dtn 1,44 im 5./4. Jh. v.Chr. vorausgesetzt wird, kann die Formulierung „in Seïr“ als zutreffend für einen im Negeb gelegenen Ort angesehen werden. Der Erzählzusammenhang von Dtn 1,44 (und von Num 14,45) deutet daher zumindest darauf hin, dass Horma im nördlichen Negeb, am Übergang zum judäischen Bergland vorzustellen ist.
Num 21,3 erzählt von der Zerstörung mehrerer Städte des kanaanitischen Königs von Arad durch die Israeliten. Diese Aktion soll den Namen Horma („gebannter, zerstörter Ort“) begründen. Dabei ist insbesondere der Wechsel von der Pluralform „Städte“ zu dem einen „Platz“ (hebr. hammāqôm) Horma schwer verständlich. Auch die Einbindung der kurzen Episode Num 21,1­-3 in den erzählerischen Kontext bleibt erklärungsbedürftig, da Num 20-21 sonst ausschließlich von Vorgängen im Ostjordanland handeln. Verschiedene Versuche, durch literarkritische oder überlieferungsgeschichtliche Eingriffe, etwa durch die Eliminierung des Ortsnamens Arad, einen verständlichen Text zu konstruieren, erbrachten bislang kein breit akzeptiertes Ergebnis. Sollten die genannten Belege aus den Landnahmeüberlieferungen dennoch einen lokalisierbaren Ort namens Horma voraussetzen, so müsste er am Übergang vom Negeb in das judäische Bergland gesucht werden. Außerdem sollten an der Ortslage zur Zeit der Abfassung der Texte ältere Zerstörungsspuren erkennbar gewesen sein, die Anlass für den Namen Horma gaben. Aus Ri 1,17 ist allenfalls zu entnehmen, dass Horma zwischen der Gegend um Arad (Ri 1,16) und den Philisterstädten Gaza, Aschkelon und Ekron (Ri 1,18) liegen sollte, demnach im nördlichen Negeb. Ri 1,17 kennt zudem Zefat (Zefat, Negeb) als den alten Namen von Horma. Zefat ist jedoch im MT nur hier belegt und die entsprechende Angabe kann, wie ähnliche Notizen, die angeblich ältere Namen von Städten nennen (Ri 1,10-11), schwerlich historisch-topographisch ausgewertet werden. Ob aus dem Namen Zefat bzw. der zugrunde liegenden Wurzel ṣpj „ausspähen“ zu erschließen ist, Horma müsse an einem Platz gesucht werden, der eine gute Aussicht bietet (vgl. Gaß, Erasmus 2005a, 46), muss ebenfalls offen bleiben.
Weder Num 21,3 noch Ri 1,17 setzen zwingend eine unmittelbare Nachbarschaft von Horma und Arad (Tell ʿArād 1620.0767) im nordöstlichen Negeb voraus. Somit entfällt das Hauptargument für eine Lokalisierung von Horma auf den ca. 13 bzw. 17 km westlich von Tell ʿArād gelegenen Siedlungsplätzen Tell el-Milḥ (u.a. Mittmann, Siegfried 1977a, 224; Keel, Othmar / Küchler, Max 1982a, 354; weitere Literaturverweise s. Jericke, Detlef 1997a, 210f; Vos, Jacobus Cornelis de 2003a, 361; Gaß, Erasmus 2005a, 51–53; s. auch zu Molada) bzw. Ḫirbet el-Mšāš (u.a. Ḫirbet el-Mšāš (Tēl Māśōś), 2. Kampagne 1974>Aharoni, Yohanan u.a. 1975b, 121–125; Aharoni, Yohanan 1984a, 274; Münnich, Maciej M. 2021a, 46-48; weitere Literaturverweise s. Jericke, Detlef 1997a, 210f; Vos, Jacobus Cornelis de 2003a, 360f; Gaß, Erasmus 2005a, 48–51). Für eine Ansetzung auf der Ḫirbet el-Mšāš könnten allenfalls die archäologischen Befunde sprechen (zu diesen s. Ḫirbet el-Mšāš (Tel Māśōś), 1972–1975, 3 Bände>Fritz, Volkmar / Kempinski, Aharon 1983a; Jericke, Detlef 1997a, 187–212). Hier stand in der Mittelbronzezeit II (17. Jh. v.Chr.) eine von einem Wall umgebene Siedlung. Am Übergang vom 2. in das 1. Jt. v.Chr. (11./10. Jh. v.Chr.) existierte eine ca. 220 x 200 m große unbefestigte Siedlung. Dabei sind drei Besiedlungsphasen zu unterscheiden. Aus der frühesten sind lediglich Gruben und Begehungsflächen nachgewiesen. Dieser Befund indiziert, dass es sich um einen saisonal genutzten Platz handelte. Die zweite Siedlungsphase bestand aus einer ringförmigen Anlage mit Pfeilerhäusern („Vierraumhäusern“) und einigen größeren Gebäuden. Neben landwirtschaftlichen Aktivitäten scheint die Metallverarbeitung eine der wirtschaftlichen Grundlagen gewesen zu sein. In der dritten Siedlungsphase zeigen sich Bemühungen um eine Sicherung der Anlage. Die Häuser waren nur mehr vom Inneren der Siedlung aus begehbar, dazuhin wurde ein festungsartiges Gebäude errichtet. Nach einer längeren Siedlungsunterbrechung wurde in der späten Eisenzeit II (7./6. Jh. v.Chr.) kurzfristig wieder eine kleine Anlage auf dem der Ḫirbe benachbarten Tell eingerichtet. Sollten die Landnahmeerzählungen, die Horma erwähnen, in der späten Königszeit (7./6. Jh. v.Chr.) oder danach entstanden sein, könnten die in diesen Zeiten noch sichtbaren mittelbronzezeitlichen und früheisenzeitlichen Siedlungsreste das Motiv der Bannung bzw. völligen Auflösung der israelitischen Verbände veranlasst haben.
Weitere Hinweise auf die Lokalisierung von Horma geben insbesondere die siedlungsgeographischen Texte des Alten Testaments. Sie zählen Horma zu den im Negeb liegenden Orten Judas (Jos 15,30) bzw. Simeons (Jos 19,4; 1Chr 4,30). Dabei steht Horma jeweils neben Ziklag. Dieser Ort soll zum Territorium der Philisterstadt Gat gehört haben (1Sam 27,6) und lag demnach im westlichen Teil des Negeb. In der älteren Literatur werden Ziklag auf Tell el-Ḫuwēlife und Horma auf dem ca. 17 km weiter südlich gelegenen Tell es-Sebaʿ gesucht (u.a. Alt, Albrecht 1935a; Abel, Félix-Marie 1938a, 350; Noth, Martin 1953a, 93; Simons, Jan 1959a, 145.283 §§ 317.517; vgl. Vos, Jacobus Cornelis de 2003a, 360). Dieser Vorschlag ist wenig wahrscheinlich, da Tell el-Ḫuwēlife zu weit vom Gebiet der Philisterstädte (Philisterland) entfernt liegt, um noch zum Territorium von Gat gehört zu haben, und da auf Tell es-Sebaʿ höchstwahrscheinlich das alttestmentliche Beerscheba lag. Ziklag wird zutreffender auf Tell eš-Šerīʿa (1196.0889) im Nordwest-Negeb am Übergang zur südlichen Küstenebene und zur Schefela (Schefela, Juda) lokalisiert. Damit ergibt sich die Möglichkeit, Horma mit Tell el-Ḫuwēlife am Schnittpunkt von Bergland, Schefela und Negeb gleichzusetzen (u.a. Na’aman, Nadav 1980b, 142f; Fritz, Volkmar 1994a, 165.255; Jericke, Detlef 1997a, 210f; Vos, Jacobus Cornelis de 2003a, 360; Gaß, Erasmus 2005a, 55–57). Der Siedlungshügel war nahezu durchgehend von der Frühbronzezeit bis in frühislamische Zeit besiedelt. Aus der ausgehenden Spätbronzezeit und der Eisenzeit I (13.–10. Jh. v.Chr.) stammen Reste von Vorratsgruben. In der Eisenzeit II (9.–7. Jh. v.Chr.) existierte eine befestigte Stadtanlage. Aus persischer Zeit sind Reste einer Siedlung, u.a. ein großes festungsartiges Gebäude und Vorratsgruben, bezeugt (Cole, Dan P. 2015a). Möglicherweise konnten in dieser Zeit die Ruinen der eisenzeitlichen Stadtanlage als Ergebnis eines Bannvollzugs in der Landnahmezeit gedeutet werden.
 

 

Autor: Detlef Jericke, 2019; letzte Änderung: 2023-01-21 12:58:20

 

 

 

 

Lexikonartikel

  • BHH 2 (1964), 749 (Bernhardt, Karl-Heinz, Art. Horma
  • NBL 2 (1995), 195f (Fritz, Volkmar, Art. Horma)
  • ABD 3 (1992), 288f (Hamilton, Jeffries M., Art. Hormah); 6, 1080 (Baker, David B., Art. Zephat)
  • NEAEHL 2 (1993), 553–559 (Seger, Joe D., Art. Ḥalif, Tel); 3 (1993), 986–989 (Kempinski, Aharon, Art. Masos, Tel)
  • RGG4 3 (2000), 1902 (Fritz, Volkmar, Art. Horma)
  • WiBiLex 2008 (Jericke, Detlef, Art. Horma)
  • EBR 11 (2015), 33-34 (Borowski, Oded, Art. Halif, Tell); 12 (2016), 393-394 (Jeon, Jaeyoung, Art. Hormah)

 

Literatur

Williams, George 1845a , 488f ;  Palmer, Edward Henry 1871b , 378-380 ;  Bartlett, Samuel Concord 1879a , 372f ;  Lagrange, Marie-Joseph 1900a , 282f ;  Alt, Albrecht 1935aAbel, Félix-Marie 1938a , 350 ;  Noth, Martin 1953a , 93 ;  Simons, Jan 1959a , 145.283 §§ 317.517 ;  Glueck, Nelson 1959a , 182-184 ;  Alt, Albrecht 1959c , 409–435 ;  Aharoni, Yohanan u.a. 1973aAharoni, Yohanan u.a. 1974aAharoni, Yohanan u.a. 1975aAharoni, Yohanan u.a. 1975bFritz, Volkmar 1975aMittmann, Siegfried 1977a , 222–225 ;  Na’aman, Nadav 1980b , 136–143 ;  Keel, Othmar / Küchler, Max 1982a , 341–354.935–939 ;  Seger, Joe D. 1983aFritz, Volkmar / Kempinski, Aharon 1983aAharoni, Yohanan 1984a , 274 ;  Borowski, Oded 1988aPerlitt, Lothar 1991a , 130f ;  Kellermann, Diether u.a. 1992aBorowski, Oded 1992aJacobs, Paul F. / Borowski, Oded 1993aFritz, Volkmar 1994a , 165 ;  Jacobs, Paul F. 1994aBorowski, Oded 1995aJericke, Detlef 1997a , 210f.263 ;  Schmitt, Götz 2001aVos, Jacobus Cornelis de 2003a , 352f.360f ;  Gaß, Erasmus 2005a , 46–57 ;  Borowski, Oded 2005aBorowski, Oded 2009aCole, Dan P. / Seger, Joe D. 2009aHardin, James W. 2010aRösel, Hartmut N. 2011a , 202.252 ;  Borowski, Oded 2013aDozeman, Thomas B. 2015a , 489 ;  Jacobs, Paul 2015aCole, Dan P. 2015aBeit-Arieh, Itzhaq / Freud, Liora 2015aJacobs, Paul / Seger, Joe 2017aMilevski, Ianir u.a. 2018aBang, Seung Ho / Borowski, Oded 2019aJericke, Detlef 2020a , 89 ;  Münnich, Maciej M. 2021a , 46-48 ;  Shafer-Elliott, Cynthia 2021aSeger, Joe D. 2022a